Alternativen zur Böllerei gesucht

Trotz Feinstaub und Müll: Das Silvester-Feuerwerk zu verbieten, kann nicht die Lösung sein, meint Olaf Bandt

  • Olaf Bandt
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Jahreswechsel steht vor der Tür und schon bald decken sich die Menschen landauf, landab wieder mit Unmengen an Silvesterfeuerwerk, Böllern und Raketen ein. Zum Jahresende wollen es viele in diesen von der Klimakrise und Umweltzerstörung verdüsterten Zeiten noch einmal richtig krachen lassen. Dabei sollte Silvester eigentlich ein schönes und freudiges Fest sein. Für viele ist die hemmungslose Böllerei jedoch einfach nur unangenehm, für nicht wenige gefährlich.

An fast jeder Straßenecke wird das Feuerwerk ohne Rücksicht auf Verluste gezündet. Dieser eigentlich schöne Anlass zum Feiern ist überschattet und von einer unheimlichen Aggressivität, die Notaufnahmen sind jedes Jahr überfüllt. Über Auswirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt machen sich offenbar die wenigsten Menschen wirklich Gedanken.

Die Feinstaubbelastung in der Silvesternacht ist um ein Vielfaches höher als an anderen Tagen des Jahres. Aber es soll hier nicht primär um Feinstaubemissionen gehen. Es ist hinreichend bekannt, wie viele Schadstoffe zum Jahreswechsel zusätzlich zu sonstigen Emissionen in die Umwelt gelangen. Es geht vielmehr um einen Sinneswandel an diesem letzten Tag des Jahres, der wie kein anderer für Rückschau und Ausblick und gute Vorsätze für eine lebenswerte Zukunft steht.

Doch wie sollen wir Menschen überzeugen, ihre Gewohnheiten aufzugeben? Der BUND hat im November eine Positionierung zum Silvesterfeuerwerk verabschiedet. Es ist längst überfällig, sich konstruktiv über die Zukunft des Silvesterfeuerwerks auszutauschen und sich zu überlegen, ob ein unkontrolliertes, alljährliches Böllern überhaupt noch zeitgemäß ist.

In vielen anderen europäischen Ländern ist die Diskussion bereits weiter: In Frankreich ist vielerorts der Verkauf und das Zünden privater Feuerwerke verboten. Alternativ gibt es jedoch von Gemeinden veranstaltete, öffentliche Feuerwerke. Auch manche deutsche Kommunen und Städte haben Regelungen bis hin zu Verboten erlassen. So verbietet die Insel Sylt wegen der vielen Reetdächer Feuerwerke ganzjährig. Nicht an allen Orten ist ein Verbot zwingend notwendig. Wo das nicht der Fall ist, sollten jedoch Alternativen zum privaten Feuerwerk angeboten werden.

Aus Umweltschutzperspektive gesprochen, ist ein klares Feuerwerksverbot geboten. Feinstaub-, Müll- und Lärmbelastung in der Silvesternacht sprechen eindeutig dafür. Wir möchten uns jedoch auch auf die Emotionalität des Themas einlassen und Kompromisse suchen, damit dieser Tag in seiner Bedeutung, die er für viele Menschen hat, angemessen und festlich begangen werden kann.

An Silvester treffen sich alljährlich Familie, Freundinnen und Freunde und Nachbarn oder einfach feiernde Menschen auf der Straße. An kaum einem anderen Feiertag haben sich so viele Riten und Traditionen herausgebildet wie an Silvester. Für viele gehört auch das Feuerwerk dazu. Die Silvester-Choreografie mit einem strikten Verbot zu stören, das kann nicht die Lösung sein.

Was kann also eine Alternative zur privaten Böllerei sein? Wir sehen ganz besonders Kommunen in der Pflicht, öffentliche Feuerwerke zu organisieren. Lieber ein öffentliches Feuerwerk statt ungezügelte Böllerei an jeder Straßenecke. Kommunen könnten zudem Zonen schaffen, in denen privates Feuerwerk erlaubt ist. Oder aber eine schöne Lichtshow mit Lasern, Strahlern und Musik anbieten. Nur so lassen sich die Auswirkungen des Silvesterfeuerwerks in ausreichendem Maße kontrollieren - und nur so ist Schutz für Mensch, Tier, Eigentum und Umwelt möglich.

Wir werden um diese Diskussionen nicht herumkommen und appellieren an die Menschen, sich nicht von der Klima- und Umweltschutzunlust der Bundesregierung anstecken zu lassen. Die Uhr tickt - nicht nur für das alte Jahr 2019, sondern auch zur Bewältigung der aktuellen Krisen, die nicht ohne Veränderungen, Einschränkungen und einem Sinneswandel möglich ist.

Menschen werden mit Veränderungen umgehen müssen, aber das nur freiwillig tun, wenn ihnen alternative Modelle schmackhaft gemacht werden. Riten und Traditionen sind wichtig, können sich aber auch wandeln: In ein paar Jahren werden wir uns nicht mehr über böllerfreie Jahreswechsel wundern. Dieses Umdenken kann bereits dieses Jahr beim eigenen Silvesterfeuerwerk beginnen - lassen Sie uns die Menschen mitnehmen. Für unsere eigene Gesundheit. Für mehr Umweltschutz.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -