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So schön schwamm kein anderer
Roland Matthes ist tot: Der erfolgreichste deutsche Schwimmer gewann viermal Olympiagold für die DDR. Er galt als großer Stilist im Wasser
Als er noch ein Kind war, musste sich Nachwuchssportler Roland Matthes entscheiden: Will er nun zu den Leichtathleten in der Kinder- und Jugendsportschule (KJS) Erfurt oder zu den Schwimmern? Sowohl als Hochspringer als auch als Schwimmer hatte er beste Anlagen, fanden die Trainer. Anfang der 60er Jahre war das, Matthes entschied sich fürs Schwimmbecken. »Mir hat gefallen, dass man beim Schwimmen duschen konnte. Zu Hause hatten wir eine Gemeinschaftstoilette auf der halben Treppe und kein Bad«, so sollte der Pößnecker später die Beweggründe für seine Entscheidung schildern.
Nach einem holprigen Start auf der KJS wollten ihn die Trainer eigentlich schon zurückdelegieren. Doch seine Mutter weigerte sich: Ein erneuter Schulwechsel sei ja wohl zu viel für den Jungen! Stattdessen entwickelte sich Roland Matthes unter Anleitung seiner Erfurter Trainerin Marlies Grohe zu einem der besten Rückenschwimmer aller Zeiten: 21 Weltrekorde stellte er auf, von April 1967 bis August 1974 schlug er stets als Erster an. 1968, 1972 und 1976 holte er bei Olympischen Spielen viermal Gold und je zweimal Silber und Bronze. Drei Weltmeister- und fünf Europameistertitel komplettierten eine Siegersserie, die mit zwei Siegen bei der DDR-Spartakiade 1966 ihren Anfang genommen hatte.
1976 beendete der siebenmalige DDR-Sportler des Jahres seine Laufbahn mit einer Bronzemedaille bei Olympia in Montreal. Vor allem sein Stil hatte auch die US-Konkurrenz verzückt: So schwärmte US-Schwimmer Ronald Mills: »Matthes ist wundervoll. Ich bewundere seine langsame Zugfolge, die wie gespielt aussieht und doch so wirksam ist.« Und US-Reporter verglichen seinen Schwimmstil mit dem, was »Pelé für den Fußball ist oder Sugar Ray Robinson für das Boxen«.
Matthes begann mit einem Medizinstudium und heiratete 1978 die Ausnahmeschwimmerin Cornelia Ender. Sogar der Staatsratsvorsitzende Erich Honecker beglückwünschte das Traumpaar des sozialistischen Sports zur Eheschließung. Nur vier Jahre später wurde die Ehe geschieden.
Matthes beendete 1988 die Facharztausbildung zum Orthopäden. Als 1989 die Mauer fiel, reiste er noch im Dezember in die Bundesrepublik aus, fortan betreute er in Tauberbischofsheim die Fechter als Sportarzt, später beriet er Franziska van Almsick und andere Schwimmer. Von 1998 bis 2001 war er TV-Schwimmexperte der ARD. Mit Doping sei er in der DDR nie in Berührung gekommen, betonte Matthes auch dort stets. Das »Pharisäertum« im Umgang mit DDR-Erfolgen ärgerte ihn: »Nicht alles ist mit Doping zustande gekommen. Außerdem wurde vermutlich auch im Westen gedopt«, sagte Matthes 2008.
Zuletzt arbeitete der erfolgreichste deutsche Schwimmer als Orthopäde in Marktheidenfeld (Spessart). Er starb am Freitag in Wertheim nach kurzer, schwerer Krankheit.
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