Boeing schickte seinen »Bauernburschen« in die Wüste

Der Konzern ist nach den 737-MAX-Katastrophen in schweren wirtschaftlichen Turbulenzen, doch die Hilfe der US-Regierung ist ihm sicher

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.

»Ich denke, es ist mir, den Familien der Opfer und der amerikanischen Öffentlichkeit ziemlich klar, dass sie zurücktreten sollten«, meinte der Kongressabgeordnete Jesus Garcia aus Seattle. Sein Kollege Steve Cohen aus Tennessee kommentierte Medienberichte, laut denen der Boeing-Boss im vergangenen Jahr über 23 Millionen US-Dollar, davon gut 13 Millionen Dollar Boni, erhielt. Hintersinnig fragte der Congressman, ob Muilenburg nun ohne Bezahlung arbeiten wolle, bis das Problem behoben sei. Debbie Mucarsel-Powell, gewählt in Florida, warnte den Konzernlenker: »Irgendwann müssen Sie die volle Verantwortung übernehmen.«

Das war Ende Oktober bei der Anhörung des Boeing-Chefs vor dem US-Kongress. Sie verlief hitzig. Muilenburg, der wegen zweier Abstürze von 737-MAX-Maschinen, bei denen insgesamt 346 Menschen starben, unter Beschuss stand, gab sich selbstkritisch, die Unfälle seien unter seinem Management passiert, er fühle sich verantwortlich. Aber: Er sei auf einer Farm aufgewachsen und da habe er gelernt, vor Problemen nicht weg zu laufen, sondern sich ihnen zu stellen. Nun holte ihn wohl die alte Bauernregel ein: Zuviel zerreißt den Sack!

Boeing steht im Verdacht, die Unglücksflieger überstürzt auf dem Markt gebracht zu haben. Zwar dementiert der Konzern mangelnde Sorgfalt, räumt jedoch Fehler insbesondere im Softwareprogramm MCAS ein. Das hat nach den offiziellen Untersuchungsberichten eine entscheidende Rolle bei den Katastrophen gespielt. Der Flugzeughersteller hatte zwar unmittelbar nach dem Absturz in Indonesien 2018 versprochen, die Probleme per Software-Update zu beheben, doch dann kam Anfang März 2019 der Absturz in Äthiopien hinzu.

Obwohl seither emsig an einem Update gearbeitet wurde, hat der stillgelegte Flugzeugtyp noch immer keine Aussicht auf Wiederzulassung durch die US-Flugaufsichtsbehörde FAA. Daher hatte Boeing bekanntgegeben, die Herstellung der 737 MAX, die derzeit »auf Halde« produziert wird, ab Januar auszusetzen. Nach der Bekanntgabe des Boeing-Führungswechsels gewann die Aktie fast drei Prozent.

Zum Nachfolger an der Boeing-Spitze wurde der bisherige Verwaltungsratschef David Calhoun bestimmt. Er soll den Job ab 13. Januar übernehmen. Dass ein Mann, der die Fehlentwicklungen des Konzerns - übrigens sehr zum Gefallen der Aktionäre - mitgetragen hat, nun Chef wird, zeigt, dass der Konzern keine grundlegenden Konsequenzen plant. Man verlässt sich eher darauf, dass der Staat die Probleme schon minimieren werde - getreu dem Spruch: »Too big to fail«.

Der übergroße, global agierende Konzern wird von der Trump-Regierung aus vielerlei Gründen gestützt: Er ist einer der wichtigsten Rüstungslieferanten und Waffenexporteure. Ohne Boeing läuft nichts im Weltraum. Die Firma ist als Hauptkonkurrent des europäischen Airbus-Konzerns von strategischer Bedeutung. Und: Es ist Wahlkampf. Wer will da schon nennenswerte Arbeitslosigkeit riskieren. Der Führungswechsel sei eine Chance, um »Vertrauen wiederherzustellen«, hieß es vor Weihnachten in einer Erklärung des Vorstandes. Man sei dabei, das Verhältnis zu Aufsichtsbehörden, Kunden und gegenüber anderen Partnern »zu reparieren«.

Falls das überhaupt möglich ist, dann nur auf lange Sicht, sagen Luftfahrtexperten. Sie verweisen allerdings auch darauf, dass Konkurrent Airbus leicht in eine ähnliche Bedrängnis geraten könnte. Denn auch dort gehe es weniger um Innovationen. Man setze - wie Boeing - darauf, bewährte Flugzeugmuster aufzufrischen, damit sie mehr Gewinn abwerfen.

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