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Ein Stich ins Herz der Linken
Immer mehr selbstverwaltete Projekte stehen vor dem Aus. Doch der Widerstand wächst.
Es war ein hartes Jahr für linke Projekte in Berlin: Nach dem Jahr der Besetzungen 2018 ging es 2019 vor allem um die Verteidigung bestehender Strukturen. Meist jedoch ohne Erfolg: Die Besetzer*innen der Großbeerenstraße 17 a in Kreuzberg mussten im Mai die Wohnung verlassen. Die seit mehr als 30 Jahren bestehende linke Kiezkneipe Syndikat in Neukölln erhielt Ende November das Räumungsurteil. Für das anarcha-queerfeministische Hausprojekt Liebig 34 in Friedrichshain, den ältesten Jugendclub Berlins, Potse in Schöneberg, sowie das linke Kneipenkollektiv Meuterei stehen Anfang nächsten Jahres die Urteile an. Und auch hier sieht es nicht gut aus, in allen Fällen dürfte am Ende ein Räumungsurteil stehen. Auch wenn die betroffenen Projekte - wie das Syndikat - in Berufung gehen, ist es nur ein Spiel auf Zeit: Nächstes Jahr zu dieser Zeit wird es diese Freiräume, die jahrzehntelang ein fester Bestandteil der linken Infrastruktur Berlins waren, vermutlich nicht mehr geben.
Gegen diese Verdrängungswelle formiert sich nun Widerstand: Im Dezember starteten Berliner Antifagruppen einen Aufruf zur Verteidigung linker Freiräume. Bei den bedrohten Projekten handele es sich um mehr als nur unkommerzielle Nischen, so die Antifaschist*innen. Angesichts der staatlichen Verstrickungen in extrem rechte Netzwerke und dem gleichzeitigen Ende der Förderung vieler Demokratieprojekte seien Orte wie die Liebig 34, die Potse, das Syndikat oder die Meuterei als Bastionen gegen den gesellschaftlichen Rechtsruck unverzichtbar. »Wo sonst finden sich Menschen zusammen, bilden Gruppen, vernetzen und organisieren sich gegen Neonazis, gegen den Rassismus, Sexismus, Hierarchien und Kapital?«, heißt es in dem Aufruf, der von zahlreichen Gruppen wie der Black Pond Antifa, der Linksjugend ’solid, dem Jugendbündnis Uffmucken und der Initiative Kein Raum der AfD unterzeichnet wurde.
Für antifaschistische Arbeit braucht es laut den Verfasser*innen unkommerzielle, autonome und selbstverwaltete Räume. »Die Repression und staatliche Verdrängung dieser Räume richtet sich somit nicht allein gegen diese Projekte als solche, sondern ist ein Stich in das Herz der linken Bewegungen und eine ernst zu nehmende Bedrohung unserer politischen Wirkmächtigkeit für viele Jahre.« Der Staat sei an oppositionellen Freiräumen nicht interessiert, die sozialen Bewegungen in der Stadt müssten also selbst für ihren Erhalt sorgen. »Lasst uns den bedrohten Projekten beistehen und auch mal neue gründen«, heißt es weiter.
Die bedrohten Projekte selbst hatten sich kurz zuvor gemeinsam mit anderen alternativen Berliner Haus- und Kulturprojekten in der Initiative »Kein Haus weniger!« zusammengeschlossen. »Ohne seine alternativen Haus- und Kulturprojekte wäre Berlin lediglich die Stadt, in der mal die Mauer stand. Sie wäre sozial, politisch und kulturell um vieles ärmer«, heißt es in dem Aufruf, der bislang von 77 Projekten und 54 Organisationen unterzeichnet wurde. Sie fordern einen Schutz für alle sozialen und kulturellen Projekte sowie vor Verdrängung von Kleingewerbe. Zwangsräumungen müssten sofort ausgesetzt und die »Berliner Linie«, laut der besetzte Häuser binnen 24 Stunden zu räumen sind, aufgegeben werden. Besetzer*innen müssten zudem straffrei bleiben.
Dass die Berliner Subkultur als Werbung für das rebellische Image der Stadt herhalten muss, während gleichzeitig immer mehr Projekte auf die Straße gesetzt werden, wollen die Aktivist*innen nicht länger akzeptieren. Eine erste Aktion der Initiative fand Mitte Dezember am Deutschen Theater statt, wo Bewohner*innen der Liebig 34 eine Premiere des Regisseurs René Pollesch stürmten, um gegen ihre Verdrängung zu protestieren. Die Aktion, die vom Künstler*innenkollektiv »Staub zu Glitzer« unterstützt wurde, das vor zwei Jahren die Volksbühne besetzt hatte, und die mit der Theaterleitung abgestimmt war, fand dabei große Zustimmung. Im Januar soll eine Liste mit namenhaften Vertreter*innen aus dem Bereich Theater und Literatur veröffentlicht werden, die sich für den Erhalt des Hausprojekts einsetzen.
Anfang nächsten Jahres sollen weitere Aktionen von »Kein Haus weniger!« folgen, kündigte »Staub zu Glitzer« gegenüber »nd« an. Schließlich gibt es im Kampf gegen die Verdrängung selbstverwalteter Projekte noch viel zu tun. Neben der Liebig 34 sollen auch die Lause und die Køpi in naher Zukunft verkauft werden. »Wir waren schon hier, als die Kieze und Stadtteile noch nicht aufgehübscht und vermarktet wurden. Und wir werden jetzt nicht weichen, wo die Profitinteressen von Konzernen uns zu verdrängen versuchen«, heißt es kämpferisch. Ob es der Linken wirklich gelingt, aus der Defensive wieder in die Offensive zu kommen, wird sich im nächsten Jahr zeigen.
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