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  • Gleichberechtigung in Iran

Ein ewiger Kampf

Gleichberechtigung - dafür ging die iranische Sportfotografin Maryam Majd auch ins Gefängnis

  • Frank Hellmann
  • Lesedauer: 5 Min.

Eine Frau steht mit der iranischen Landesflagge in der Brandung, hat die Augen geschlossen, die Sonne spiegelt sich im Meerwasser: »Congratulations Elham« hat Maryam Majd zu diesem Foto kurz vor Heiligabend auf ihrem Instagram-Profil gepostet, - um Elham Asghari zu beglückwünschen. Die Sportfotografin hatte die Schwimmerin wochenlang in der Hafenstadt Chabahar im Süden des Iran begleitet, um deren nächsten Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde zu dokumentieren. Die 35-jährige Asghari ist am 20. Dezember zehn Kilometer mit nur einer Hand in etwas mehr als fünf Stunden Stunden im Golf von Oman geschwommen. Vor zwei Jahren hielt sich mit Handschellen an den Armen und einem Hidschab mehr als drei Stunden über Wasser.

Die verewigten Kraftakte von Elham Asghari am Persischen Golf drücken aus, dass Frauen auch unter erheblichen Einschränkungen zu besonderen Leistungen fähig sind. »Sie dürfen nur in Pools oder an Strände, an denen Frauen und Männer getrennt sind«, erzählt Maryam Majd, die für das international teilweise isolierte Land als eine der bestvernetzten Aktivistinnen gilt. Ihre Fotografien und Filme dienen dazu, Sportlerinnen mit starken Überzeugungen in den Fokus zu rücken. Das Jahr 2019 hat sie in ihrem Kampf für Gleichberechtigung besonders ermutigt.

Wer ist diese Frau? Die 32-Jährige stammt aus einer gebildeten Familie und wuchs in der Hauptstadt Teheran auf. Ihr Vater, Universitätsprofessor für Geschichte, hatte früher als Torwart Fußball gespielt, und seine Tochter, die mit ihrem Bruder selbst im Hof oft Fußball spielte, sammelte seine Zeitungsartikel. Bald fiel ihr dabei der Mangel an Fotos in den Frauensportarten auf. Sie entschloss für sich, selbst welche zu machen. »Frauen und Mädchen sollten sie ihren Vätern, Brüdern und Ehepartnern zeigen können, die ihnen nicht beim Spielen zusehen durften.«

Ihre Motivwahl musste in der Islamischen Republik zu Konflikten führen, doch nie hätte die junge Fotografin gedacht, dass sie dies vor der Fußball-WM der Frauen 2011 ins Gefängnis bringen würde. Die ehemalige deutsche Nationalspielerin Petra Landers hatte sich zwar erfolgreich für ihre Akkreditierung beim Weltverband FIFA eingesetzt, aber Maryam Majd wurde noch in der Nacht, in der sie zum Flughafen fahren sollte, verhaftet und für 33 Tage in einer Einzelzelle eingesperrt. Man hatte sie mit 24 Jahren ihrer beruflichen Träume beraubt. Auch zur Frauen-WM 2015 in Kanada konnte sie nicht, weil man ihren Reisepass einzog.

Erst als sich während der WM 2018 nach Russland gereiste Landsleute und Exil-Iraner dafür einsetzten, dass auch Frauen in der Heimat Zugang zum Public Viewing erhalten, spürte Maryam Majd, dass sich etwas bewegt. Sie ging mit anderen Frauen ins Azadi-Stadion, ihre Kamera packte sie in die Tasche und machte Fotos: Das war der Lichtstrahl in der Finsternis, auf den sie so lange gewartet hatte. Und plötzlich ging sogar die Tür zur WM der Frauen 2019 in Frankreich auf. Aus Kostengründen beschränkte sie ihren Besuch auf die Finalwoche in Lyon. Es gab nur eine Zeitung, die ihr überhaupt Fotos abkaufte. Ihr erstes Spiel sollte das Halbfinale zwischen England und den USA sein. Es war die kraft- und stimmungsvollste Partie der gesamten WM.

»Als ich das Stadion betrat, fühlte es sich an, als hätte ich die ganze Welt in der Hand«, teilte sie über ihre sozialen Netzwerke mit. »Ich konnte nicht aufhören zu weinen.« Ihr Körper zitterte. Auf einmal schlossen sich viele ihrer Wunden. »Die Frauen-WM war für mich nicht nur ein Turnier. Es war ein großer Teil meines Lebens.« Zur Verarbeitung des Traumas acht Jahre zuvor - und für das, was sie ihre Mission nennt. Am Tag vor dem Finale zwischen den USA und den Niederlanden hatte sie Geburtstag und war alleine im Hotel. »Ich stand hinter dem Fenster und konnte das Stadion sehen. Diese Nacht war der beste Geburtstag in meinem Leben«. Der WM-Slogan »Dare to shine« (Zeit zu glänzen) schien wie für sie wie gemacht. Klar, dass sie von der ausdrucksstarken US-Vorkämpferin Megan Rapinoe, der prägenden und besten Spielerin des Turniers, ungemein beeindruckt war. »Ich glaube, dass die größten Spieler und Spielerinnen der Welt einen großen Einfluss haben, ihre Meinungen zu kommunizieren.«

Als im Iran der erzkonservative Klerus auf Druck des Weltverbandes im Herbst das seit 40 Jahren geltende Stadionverbot für Frauen zu einem WM-Qualifikationsspiel aufhob, bekam Maryam Majd zwar keine Fotografenakkreditierung, aber sie besorgte sich ein Ticket, um als Zuschauerin ihre Kamera mitzubringen. Es entstanden ihre nächsten Dokumente von historischem Wert.

Nur allzu verständlich, dass es ihr größter Wunsch ist, auch bei den Olympischen Sommerspielen 2020 fotografieren zu können. Doch die mutige Frau weiß, dass ihr Ansinnen nach einer Akkreditierung für Tokio wohl ins Leere läuft: Noch immer wirkt willkürliche Unterdrückung für sie allgegenwärtig. Maryam Majd sucht nach einer anderen Lösung. Der Internationale Verband für Sportjournalisten führt sie als eine der wichtigsten Fotografinnen für Asien und Ozeanien. Das neue Magazin zur Frauen-Bundesliga »Elfen« widmete ihrer Lebensgeschichte in der Erstausgabe eine Reportage. Solche Zeichen der Wertschätzung sind ihr ungemein wichtig. »Bei den Menschen meines Landes sehe ich weniger Glück als früher«, sagt sie, »aber ich habe die Hoffnung nicht verloren.« Aus dem Jahreswechsel - der in ihrer Heimat mit dem Persischen Neujahr (»Nouruz«) erst am 20. März gefeiert wird - baut sie für sich eine Brücke zum iranischen Bildungssystem, in dem 20 die höchste Punktzahl bedeutet. Deshalb sagt sie: »Ich denke, 2020 wird mein Jahr sein.« Denn noch ist Maryam Majd längst nicht am Ziel.

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