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Vierkampf um den Goldenen Adler
Nach einem turbulenten Springen in Innsbruck ist das Finale der 68. Vierschanzentournee so spannend wie selten
Marius Lindvik schaute sich bei der Pressekonferenz nach seinem Sieg in Innsbruck die Ergebnisliste an. Als er bei der Tournee-Gesamtwertung angekommen war, umspielte ein leichtes Grinsen seine Lippen. Mit seinem zweiten Triumph in Serie hat der 21 Jahre alte Newcomer die Gesamtwertung des Skisprung-Grand-Slams auf den Kopf gestellt. Aus dem Duell zwischen dem japanischen Titelverteidiger Ryoyu Kobayashi und dem deutschen Hoffnungsträger Karl Geiger ist ein Vierkampf um den Gesamtsieg beim großen Finale am Montag in Bischofshofen geworden.
Polens Weltmeister Dawid Kubacki (830,7 Punkte) und Lindvik (821,6) haben dabei zumindest auf dem Papier völlig überraschend die besseren Karten auf den Gesamtsieg bei der 68. Vierschanzentournee als Geiger (817,4) und Kobayashi (817,0).
Nachdem der sonst so besonnene Karl Geiger nach seinem verpatzten ersten Sprung bei schlechten Windbedingungen am Bergisel regelrecht ausgerastet war (»Ich war auf 180«), erreichte er noch am Abend nach seinem enttäuschenden achten Platz wieder in besserer Stimmung Bischofshofen.
»Das hätte auch wesentlich schlimmer ausgehen können. Karl hat immer noch alle Chancen, weil er in seinem zweiten Flug in Innsbruck die richtige Reaktion gezeigt hat. Er muss halt in Bischofshofen zwei Topsprünge machen und nicht nur einen. Die Schanze sollte ihm besser liegen«, kommentierte Bundestrainer Stefan Horngacher. 13,3 Punkte Rückstand auf Kubacki - das sind umgerechnet 7,39 Meter - muss Geiger aufholen. Das ist auf der größten Tourneeschanze in zwei Flügen durchaus machbar.
Zumal die beiden neuen Topkandidaten auf den Goldenen Adler und die 20 000 Schweizer Franken Prämie auf den Tourneesieg durchaus das Nervenflattern bekommen könnten. Dawid Kubacki wirkte ziemlich frustriert, als er immer wieder auf seine neue Favoritenrolle angesprochen wurde. »Ich weiß! Ich muss auf mich achten. Der Druck kommt vor allem von den Medien«, sagte der Mann, der in Polen bisher immer im Schatten des zweimaligen Tourneesiegers Kamil Stoch stand
Der mit einer Fluglizenz für Segelflugzeuge ausgestattete Kubacki schaffte es in den vergangenen Tagen bei allen drei Tournee-Stationen auf das Podest, aber nie nach ganz oben. Er könnte das Topevent zum Jahreswechsel als erster Flieger seit dem Finnen Janne Ahonen (1998/99) ohne Tagessieg gewinnen. Der im Gegensatz zum Polen eher schüchtern wirkende Marius Lindvik berichtete, dass er noch nie auf der Finalschanze von Bischofshofen gesprungen sei: »Mal sehen, was mich erwartet.«
Neben 20 000 heißblütigen Fans ist vor allem ein Karl Geiger im Kampfmodus: »Meine Form stimmt ja. Bischofshofen ist eine andere Schanze, da greife ich wieder an. Ich habe ja nichts mehr zu verlieren, sondern kann nur noch gewinnen.«
Genauso hat ihn auch Stefan Horngacher eingestellt. Der frühere polnische Chefcoach stichelte, dass sein einstiger Schützling Dawid Kubacki als einziger der vier Topfavoriten bislang sechs Topsprünge im den drei Tournee-Wettkämpfen gezeigt habe: »Eigentlich wäre er mal mit einem Fehler dran.« Zuvor hatte der Bundestrainer bereits die von den körperlichen Voraussetzungen ähnlichen beiden Springer Kubacki und Geiger verglichen: »Ich schätze Karl noch ein bisschen höher ein.«
Ganz sicher wird neben den Flugfähigkeiten in Bischofshofen auch die Nervenstärke entscheiden. Der Innsbruck-Dritte Daniel Andre Tande zum Beispiel war vor drei Jahren als Tournee-Spitzenreiter nach Bischofshofen gereist, büßte dann aber wegen einer nicht richtig geschlossenen Skibindung alle Chancen ein. »Check deine Bindung, das ist das Wichtigste!«, gab Tande deshalb seinem unerfahrenen Teamkollegen Lindvik mit einem Lächeln mit.
Der wie ein Komet in die Weltspitze vorgestoßene Juniorenweltmeister von 2018 grinste nur und meinte nach dem Studium der Gesamtwertung: »Da ist zwar ein Loch da, aber alles ist möglich.« Das gilt auch für Karl Geiger, der nach 18 Jahren wieder einen deutschen Tournee-Gesamtsieg erreichen könnte.
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