- Kommentare
- Qassem Soleimani
Trügerische Freude
Der Umgang mit dem Tod Soleimanies zeigt die Zerrissenheit der islamischen Welt, meint Philip Malzahn
Die sterblichen Überreste des getöteten Generals Qassem Soleimani werden einmal quer durch Iran getragen. Von der Pilgerstätte Maschhad geht es über die Hauptstadt in seinen Geburtstort Kerman. Das staatliche Fernsehen schlachtet das Ereignis aus und stimmt die Bevölkerung auf Krieg ein, indem es am laufenden Band Zehntausende schwarz gekleidete Trauernde zeigt, die racheschwörend »ihrem Kriegshelden« den letzten Respekt zollen. Anderorts, wie in der syrischen Rebellenhochburg Idlib, wird der Tod des Anführers der berüchtigten Quds-Brigaden regelrecht zelebriert.
Diese unterschiedlichsten Reaktionen zeigen die Zerrissenheit der islamisch geprägten Welt. Soleimani war zweifellos ein Kriegstreiber und ein Fiesling sondergleichen. Doch sein Ableben könnte einen Krieg ungeahnten Ausmaßes auslösen, von dem jetzt schon sicher ist, dass es am Ende nur Verlierer geben kann.
Auch die Vorstellung, man könne durch das gezielte Auslöschen einzelner Protagonisten etwas Gutes tun, ist illusorisch. Denn Soleimanis Werk, die Erschaffung eines extrem handlungsfähigen Milizennetzwerks im Nahen Osten durch geschickte Ausnutzung der geopolitischen Umstände, bleibt weiterhin bestehen. Auch ein Nachfolger an der Spitze der Quds-Brigaden war bereits am selben Tag auserkoren. In dieser Situation ist daher jede Emotion, die nicht auf eine Deeskalation ausgerichtet ist, vollkommen unangebracht.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.