Gegner der Garnisonkirche vor Gericht

Ein Prozess zum Protest gegen den Wiederaufbau am Dienstag verschoben, ein zweiter Prozess für April geplant

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Gegen Mittag ist es am Dienstag mucksmäuschenstill auf dem Flur vor Saal 25 im Amtsgericht Potsdam an der Jägerallee. In einen anderen Saal weiter hinten führen zwei Justizbedienstete einen Angeklagten in Handschellen zu seinem Prozess. Doch ein für 13 Uhr im Saal 25 anberaumtes Verfahren fällt kurzfristig aus. Der Angeklagte Eric B. und sein Rechtsanwalt Steffen Sauer sind gar nicht erst erschienen. Der Richter ruft lediglich die geladenen Zeugen auf, um mit ihnen zu klären, ob sie Auslagen hatten, die das Gericht erstatten muss. Es geht um mögliche Fahrtkosten und den Verdienstausfall.

Der eine Zeuge ist groß, muskulös, tätowiert. Mit ihm, einem Polizisten, so wird auf dem Flur erzählt, soll sich der eher schmächtige Eric B. am 29. Oktober 2017 angeblich angelegt haben. Die Vorwürfe lauten: Hausfriedensbruch, Störung der Religionsausübung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung. So informiert die Bürgerinitiative für ein Potsdam ohne Garnisonkirche.

Für den 29. Oktober 2017 hatte die Stiftung Garnisonkirche Potsdam zum Baustart zu einer Feier eingeladen. Die bei einem Bombenangriff im April 1945 ausgebrannte Kirche, deren Ruine 1968 gesprengt wurde, soll wiedererrichtet werden. Das Vorhaben, das eigentlich aus Spenden finanziert werden sollte und um das schon seit den 1990er Jahren gerungen wird, ist extrem umstritten. Am 21. März 1933 hatte Adolf Hitler vor der Kirche dem Reichspräsidenten Paul von Hindenburg symbolträchtig die Hand gedrückt. Der Moment steht für die unheilige Allianz des Faschismus mit dem preußischen Militarismus. Doch nicht nur das spricht gegen den Wiederaufbau, für den der Bund inzwischen Stück für Stück Millionensummen spendiert.

Einige sind vergeblich gekommen, um den Prozess gegen Eric B. zu verfolgen. Silka Rödl zum Beispiel. Sie ist evangelischen Glaubens, gehört der französisch-reformierten Gemeinde von Potsdam an. Rödl fand es 2008 gut, als sich die evangelische Landeskirche des Bauprojekts annahm. Denn damit habe diese die Sache der rechten Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel aus der Hand genommen. Rödl findet es durchaus richtig, an dem geschichtsträchtigen Ort etwas zu machen. Es müsste sich aber in der Form deutlich vom historischen Vorbild unterscheiden. Der weitgehend originalgetreuen Wiederaufbau sei ein unreflektierter Umgang mit der Geschichte. Das lehnt die 42-Jährige aus politischen und religiösen Motiven ab. Sie ist Geschichtslehrerin und betont, Symbole monarchistischer Herrschaft nachzubauen sei »nicht zeitgemäß« und sogar »gefährlich«. Die Garnisonkirche sei »vielfältig mit Gewalt und Krieg belastet«.

Als Christin sagt Rödl, einen hohen Turm benötige sie nicht. »Das ist auch nicht mehr zeitgemäß. Es entspricht nicht dem biblischen Gedanken.« Aus solchen Erwägungen ging Rödl am 27. Oktober 2017 zur Baustartfeier, um ihr Missfallen auszudrücken. Sie hat dort nach eigener Auskunft Altbischof Wolfgang Huber zugerufen: »Haben Sie mal Rücksprache mit Gott gehalten, bevor Sie sich für dieses Anliegen einsetzten?« Das habe den Altbischof kurz aus dem Konzept gebracht.

Silka Rödl hörte auch andere Zwischenrufe. Damit habe die Stiftung rechnen müssen, dass viele Leute zum Baustart kommen, die mit der Sache nicht einverstanden sind, sagt die Lehrerin. Sie argumentiert, da die Stiftung Garnisonkirche zu dem Baustart eingeladen habe und nicht die evangelische Kirche, sei es kein Gottesdienst gewesen und Eric B. könne folgerichtig eigentlich keine Störung der Religionsausübung zur Last gelegt werden. Die Martin-Niemöller-Stiftung sehe das genauso.

Dass von den Gegnern der Garnisonkirche jemand Gewalt angewendet habe oder aggressiv aufgetreten sei, hat Rödl nicht gesehen. Sie haben nicht alles überblicken können, erzählt sie, aber doch einiges. Am Dienstag hätte sich Rödl im Gericht auch gern als Entlastungszeugin zur Verfügung gestellt. Doch das Verfahren ist nun auf noch unbestimmte Zeit verschoben.

Für den 23. April sei ein weiteres Verfahren gegen drei andere Garnisonkirchengegner angesetzt, teilt die Bürgerinitiative für ein Potsdam ohne Garnisonkirche mit. Auch diese drei sollen bei der Baustartfeier gestört haben. Die Initiative kritisiert die »Kriminalisierung des legitimen Protests«. Sie fordert, dass alle Anklagen fallengelassen, alle Anzeigen zurückgezogen werden.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.