»So stolz und so bedroht«

Eine Streitschrift über Nicaragua als linker Sehnsuchtsort.

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Jahr 1979 vertrieb die sandinistische Revolution in Nicaragua den Langzeitdiktator Somoza. In den folgenden Jahren wurde das kleine Land in Zentralamerika zum Sehnsuchtsort für Linke in Ost und West. »Ach, kleines Nicaragua, so stolz und so bedroht, noch brauchst du fremde Hilfe, sonst wär bald eine Hoffnung tot«, textete der DDR-Liedermacher Gerhard Schöne. Linke aus aller Welt beteiligten sich an Solidaritätsbrigaden, halfen bei der Kaffee-Ernte oder beim Bau von Schulen und Gesundheitsstationen. Auch Matthias Schindler hatte sich in den 1980er Jahren an solchen Brigaden beteiligt und blieb danach jahrzehntelang in der Solidaritätsbewegung mit Nicaragua aktiv. Jetzt hat der linke Gewerkschafter ein Buch geschrieben, in dem er mit dem »orteguistischen Regime«, wie er die aktuelle Regierung des Ehepaars Ortega nennt, abrechnet.

Schindler beginnt seine Anklageschrift mit dem Satz »Der 18. April 2018 markiert den Beginn einer neuen politischen Zeitrechnung in Nicaragua.« An diesem Tag begann in dem mittelamerikanischen Land eine Protestbewegung, die in wenigen Tagen zu einem landesweiten Aufstand wurde und schließlich mit massiver staatlicher Repression niedergeschlagen wurde. Es gab zahlreiche Tote und Schwerverletzte, Aktivist*innen wurden verhaftet oder tauchten unter.

Ein Zitat auf der ersten Seite könnte auch das Leitmotiv des Buches sein. »Der heutige Kampf für Nicaragua ist ein Kampf um die Erinnerung und die Geschichte der Sandinistischen Revolution.« Schindler rekapituliert wichtige Etappen dieser Bewegung und geht der Frage nach, warum sie so viele Linke in aller Welt begeistern konnte. Dabei verweist er auf die Theologie der Befreiung, die in Teilen der Sandinist*innen, wie auch bei ihren Unterstützer*innen, eine größere Rolle spielte als der Marxismus. Schindler zeigt aber auch an Beispielen auf, wie Theorie und Praxis im damaligen Nicaragua schon sehr früh auseinanderfielen.

So hält er es heute für einen großen Fehler, dass über den Machismo des populären sandinistischen Innenministers Tomás Borge in den 1980er Jahren in Solidaritätskreisen nur intern gesprochen wurde. Argumentativ setzt sich Schindler mit jenen Linken auseinander, die die aktuelle Regierung in Managua weiterhin unkritisch verteidigen.

Und er widerlegt Behauptungen der Regierung, nach denen es sich bei den niedergeschlagenen Protesten um einen von den USA gesteuerten Putsch gehandelt habe. Glaubwürdig ist Schindler als linker Kritiker, weil er zwischen der Regierung Ortega und den Regierungen in Venezuela und Kuba klar differenziert. Er benennt auch in diesen Ländern demokratische Defizite, wendet sich aber gegen die Regime-Change-Politik der Opposition. Schindler hat mit seiner zornigen - sicher nicht in allen Punkten gerechten - Streitschrift einen Beitrag für die Debatte um die Grenzen der Solidarität mit nominal linken Regierungen geliefert.

Matthias Schindler: Vom Triumph der Sandinisten zum demokratischen Aufstand. Die Buchmacherei, 174 S., br., 10 €.

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