Drohungen in der Lokalpolitik nehmen zu

700 Menschen zeigen Solidarität mit bedrohtem Bürgermeister Christoph Landscheidt (SPD) im nordrheinwestfälischen Kamp-Lintfort

  • Lesedauer: 3 Min.

Die Zahl der polizeilich erfassten Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger*innen hat sich 2019 laut einem Bericht in mehreren Bundesländern deutlich erhöht. Wie die »Welt am Sonntag« berichtete, wurden beispielsweise in Niedersachsen 167 solcher Straftaten registriert - 59 mehr als im Vorjahr. Derweil äußerte sich Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) besorgt über die künftige Bereitschaft von Bürgern, in der Kommunalpolitik noch Verantwortung zu übernehmen.

Die »WamS« berief sich auf eine eigene Umfrage bei Innenministerien großer Flächenländer zur Entwicklung bei den Straftaten gegen Amtsträger. In Baden-Württemberg wurden demnach im vergangenen Jahr 104 solcher Straftaten verzeichnet (2018: 81) und in Rheinland-Pfalz 44 Straftaten (2018: 25).

In Ostdeutschland ist die Entwicklung teils noch besorgniserregender. Thüringen meldete demnach mehr als eine Verdopplung der Angriffe auf Amts- und Mandatsträger*innen. Dort registrierte die Polizei im vergangenen Jahr dem Bericht zufolge 101 Straftaten im Vergleich zu 43 im Jahr 2018. Außerdem habe sich die Zahl der Straftaten in Sachsen mit 197 fast verdoppelt (2018: 99).

Weniger stark seien die Straftaten »zum Nachteil von Politikern« im Stadtstaat Berlin mit 159 (2018: 143) gestiegen. Hier würden von der Polizei allerdings nicht nur Taten im Lokalen, sondern auch gegen Politiker*innen von Vertretungen der Bundesländer und des Bundes in die Statistik einbezogen.

Einen Rückgang der Straftaten meldet dem Bericht zufolge hingegen Bayern, wo die Zahl auf 134 (2018: 232) gesunken sei. Die Länder wiesen darauf hin, dass es sich um vorläufige Zahlen handele, da noch bis zum 31. Januar Straftaten aus 2019 nachgemeldet werden könnten.

Mit Blick auf die wachsende Zahl von Drohungen gegen Kommunalpolitiker*innen sagte Seehofer der »Rheinischen Post«, die Bundesregierung habe »die zunehmende Bedrohung von Kommunalpolitikern sowohl im digitalen Raum als auch in der realen Welt im Blick«.

Es liege im gesamtstaatlichen Interesse, dass sich auch weiterhin Mitbürger für kommunale und Ehrenämter bereitfänden und zur Verfügung stellten. »Denn die kommunale Ebene ist das Rückgrat der demokratischen Gesellschaft.«

Bewaffnete Politiker
Kölner CDU-Kommunalpolitiker schießt im Streit auf einen jungen Mann / Debatte über Bewaffnung von Amtsträgern entbrannt

Seehofer verwies darauf, dass die Bundesregierung Ende des vergangenen Jahres ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität auf den Weg gebracht habe. »Im Zuge der Umsetzung des Pakets arbeitet die Bundesregierung unter anderem an Änderungen des Strafrechts für einen verbesserten Schutz von Kommunalpolitikern.«

Seehofer äußerte sich vor dem Hintergrund eines vor wenigen Tagen bekanntgewordenen neuen Bedrohungsfalls in Nordrhein-Westfalen. Dabei geht es um den Bürgermeister von Kamp-Lintfort, Christoph Landscheidt (SPD). Der Juraprofessor wird nach eigenen Angaben massiv aus der rechten Szene bedroht und will deshalb vor Gericht durchsetzen, dass ihm ein Waffenschein erteilt wird.

Zu einer Solidaritätskundgebung für Landscheidt versammelten sich am Samstag rund 700 Menschen in Kamp-Lintfort. Sie wandten sich damit auch gegen eine zeitgleiche Kundgebung der Partei »Die Rechte« unter dem Motto »Bewaffnung von Bürgermeister Landscheidt stoppen«. Die Neonazi-Kundgebung zählte laut Polizei rund 30 Teilnehmer. AFP/nd

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