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»Oder ihr sinkt wie ein Stein«
Erst EM, dann Olympia: Dem deutschen Wasserball droht 2020 der Untergang
So ändern sich die Zeiten! Vor mehr als 30 Jahren wurden die bundesdeutschen Wasserballer bei der EM 1989 in Bonn einst Europameister. Beim seit diesem Wochenende laufenden Kontinentalchampionat in Budapest ist sowohl für die deutschen Männer als auch für die Frauen ein ähnlicher Erfolg mehr als unwahrscheinlich. Marko Stamm (31), einer von sieben Berlinern im Aufgebot des Deutschen Schwimm-Verbands (DSV) und Führungsspieler in der Auswahl von Bundestrainer und Vater Hagen Stamm, meint, dafür müssten »alle Feiertage eines Jahres auf einen Tag fallen«.
In Budapest geht es den Deutschen aber auch nicht um Titel, sondern um Olympia: Nur die jeweils siegreichen Teams können ein Direktticket fürs Turnier in Tokio gewinnen, wobei freilich bei den Männern wegen der bereits qualifizierten Serben, Italiener und Spanier schon der Einzug ins Halbfinale reichen könnte. Realistischer ist für die Deutschen jedoch ein Platz im letzten Olympiaqualifikationsturnier im März in Rotterdam, wofür je nach Gesamteinlauf der Konkurrenz Rang acht bis zehn reichen wird. In Rotterdam werden dann noch einmal vier Tickets für Tokio vergeben.
Der DSV hat gute Erfahrungen mit dieser letzten Qualifikationschance. 2004 wurde man in Rio Turnierzweiter und später bei Olympia in Athen vielbeachteter Olympiafünfter, was das letzte wirkliche Topresultat der einst so starken DSV-Wasserballer war. 2008 gewann man in Oradea sogar das Qualifikationsturnier, musste sich in Peking aber mit Rang zehn begnügen. 2012 und 2016 verpassten die Männer den Höhepunkt.
Eine dritte Absenz bei den Spielen wäre katastrophal, sagt Bundestrainer Hagen Stamm, der nach seiner ersten Amtszeit (2001 bis 2012) und den darauf folgenden personellen und finanziellen Irrungen des Verbandes seit 2017 noch einmal den »Retter« mit halber Stelle gibt. »Wasserball steht vor der Existenzfrage, wenn nicht endlich konsequent in den Strukturen und in der Nachwuchsförderung etwas geändert wird«, warnt Stamm schon seit Jahren.
Seine Motivationskünste waren zuletzt mehrfach der Anker, mit dem sich das Schiff im Sturm noch halten ließ. Dabei profitierte er davon, dass es auch in anderen, einstigen Topnationen Probleme gibt. »Wenn wir einen guten Tag haben und die einen schlechten, wenn alles passt und wir in Bestbesetzung antreten, können wir Überraschungen schaffen. Aber wehe, wenn es in einer dieser Komponenten klemmt. Dann ist auch ein Flop bei uns möglich«, sagt Stamm.
Das zeigte sich in der EM-Vorbereitung, als mehrere wichtige Spieler verletzt fehlten und besorgniserregende Niederlagen gegen kleine Wasserballnationen wie Frankreich und Georgien die Folge waren. Das Viertelfinale zu erreichen und damit die Chance auf Platz acht zu haben, ist für Stamm dennoch realistisch. In der Vorrunde muss man dafür mindestens Gruppendritter werden. Ein Vorhaben, bei dem es mit Auftaktgegner Kroatien an diesem Dienstag, dem schwer bespielbaren Außenseiter Slowakei im Schlüsselmatch am Donnerstag und Ex-Europameister Montenegro am Sonnabend aber keine leichten Aufgaben gibt.
Noch schwieriger wird es für die deutschen Frauen. Auch sie wollen ihre ohnehin geringe Chance auf die Teilnahme am Olympiaqualifikationsturnier wahren, sind in ihrer Gruppe allerdings schon ins Hintertreffen geraten. Die 4:13-Niederlage gegen Italien am Sonntag war zwar deutlich, gegenüber den Pleiten vergangener Jahre mit stets mehr als 20 Gegentoren jedoch schon ein kleines mutmachendes Resultat. Nichts zu holen gab es am Montag wie erwartet gegen Titelverteidiger Niederlande, der beim 23:3 zeigte, wie weit der Weg für die DSV-Frauen zur internationalen Spitze noch ist.
So liest sich die erste Strophe von Bob Dylans Protestsong »The Times They Are a-Changin’« - 1964 natürlich in ganz anderer Sache verfasst - wie eine Motivationshymne für den deutschen Wasserball: »Kommt, versammelt euch Leute, wo immer ihr euch herumtreibt / und gebt zu, dass das Wasser um euch gestiegen ist. / Und akzeptiert, dass ihr bald bis auf die Knochen durchnässt seid. / Wenn euch eure Zeit etwas wert ist, / dann fangt ihr besser an zu schwimmen, oder ihr sinkt wie ein Stein, / denn die Zeiten ändern sich.«
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