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Ministerium der Schande
Lotte Laloire erklärt Thüringer LINKEN, warum das Gerede von »Heimat« ihnen strategisch schadet
Der »Thüringer Heimatschutz« bereitete den Boden für das Blut, das der rechtsterroristische NSU vergoss. Thüringer LINKE bereiten nun der »Heimat«-Debatte neuen Boden. Ganz in Seehofer-Manier gedenken einige von ihnen, im Freistaat ein »Heimatministerium« einzurichten. Es soll sich um den ländlichen Raum, Bau, Verkehr und Landwirtschaft kümmern. Was genau unter dem Titel beackert wird, scheint aber auch egal zu sein, Hauptsache das H-Wort kommt vor. Im CSU-Bayern, das diese LINKEN unverfroren als Vorbild anführen, ging es dabei auch um Finanzen; im Bund laufen darunter auch Inneres und Sicherheit. Daher dürfte bekannt sein: »Heimat« hat weder als Ministerium noch als Konzept je etwas Gutes gebracht.
Warum liebäugeln LINKE bloß immer wieder damit? Haben die keine anderen Probleme? In Thüringen offenbar nicht, die Wirtschaft wächst (noch), die Arbeitslosigkeit ist niedrig - wären da nicht die Schwierigkeiten, sich auf eine Koalition zu einigen. In einer ähnlichen Situation im Bund schnappte sich 2018 Horst Seehofer (CSU) seinen Posten als »Heimatminister«. Doch angesichts von 2,8 Prozent Zuwachs bei der Landtagswahl hat es die Thüringer LINKE nicht nötig, mit diesem Köder wie eine Rattenfängerin durchs Land zu ziehen.
Wem berechtigte Hinweise auf die verbrannte Erde, die das Konzept in der deutschen Geschichte hinterlassen hat, nicht ausreichen, sollte wenigstens strategische Gegenargumente in Betracht ziehen: Mit Heimattümelei gewinnen LINKE keinen Blumentopf. Dummes Wahlvolk, das sich mit einer »falschen Antwort auf die falschen Verhältnisse« (wie der Autor Thorsten Mense Heimatliebe mal nannte) beeindrucken lässt, wird sich letztlich für das Original entscheiden. Wenn aber die LINKE die Alternative sein will, sollte sie den Rechtsradikalen nicht nachplappern, sondern sich von ihnen abheben. Auch ihre schlauen Wähler*innen vergrault sie sonst: In Zeiten des täglichen neoliberalen Bullshit-Bingos sehnt sich niemand nach einem weiteren Begriff, in den alle hineininterpretieren, was sie wollen: Bauhaus, Buchenwald, blonde Zöpfe, Autobahn, Kindheitsgerüche, beste Freunde, schöne Bäume - was davon nicht rechts ist, ist so konfus und irrelevant, dass eine linke Partei dafür kein Ministerium braucht.
Das Gerede von »Heimat« entpolitisiert und lenkt von der wichtigsten Aufgabe ab, die Menschen heute zu Recht noch von der LINKEN erwarten: dass sie die soziale Frage stellt und beantwortet. Wer aber morgens von Inklusion spricht, macht sich unglaubwürdig, wenn er abends ein Konzept vorschlägt, das ohne Exklusion nicht auskommt. Denn egal, wie fortschrittlich und locker man die Worthülse auch füllt, »Heimat« kommt nie ohne eine Grenze zu einem Anderen, einem Außen, einem Fremden aus, sonst wäre sie ja gleichbedeutend mit Menschheit, Welt oder Universum.
Selbst wer diese Argumente ignoriert, sollte wissen: Die LINKEN sind zu spät dran. Schon seit der Ankunft der ersten Geflüchteten 2015 kochen Rechte und Faschisten die Heimatgefühle der Deutschen auf. An dieser heißen Kartoffel können LINKE sich nur noch die Finger verbrennen. Es fordert schließlich auch niemand, die Wörter »Nacktschnecke«, »Elektroschrott«, »Abschottung« oder »Ungleichheit« positiv zu besetzen - noch nicht. Vielleicht ist das der nächste Wunsch, den Linke rechten Strategen erfüllen. Statt also, wie Ministerpräsident Bodo Ramelow 2018 vorschlug, mit Nazis um den »Heimat«-Begriff zu kämpfen, sollten Linke gegen Nazis kämpfen (was Ramelow ja auch kann). Linke Politik, die sich lieber um Wörter und Symbole kümmert als um materielle Probleme, ist wie ein Schulaufsatz, der das Thema verfehlt.
Eine Partei, die sich glaubhaft für Thüringen einsetzen will, braucht kein »Heimatministerium«. Sie sollte lieber den Mumm haben, in den aktuellen Koalitionsverhandlungen das Innenministerium zu verlangen. Dort könnte die LINKE die Verstrickungen von Verfassungsschutz und NSU aufarbeiten, Rechtsrockkonzerte verbieten, die Polizei in ihre Schranken weisen, Abschiebungen reduzieren - auch wenn das weder angenehm noch frei von Widersprüchen abliefe. Wenn sie dann immer noch Themen von Rechten zurückerobern will, bitte dieses: »Sicherheit« - von Frauen im Ehebett, von Migrant*innen vor Gewalt, von Lokalpolitiker*innen vor Drohungen, von Bürger*innen vor Lauschangriffen, von Mieter*innen vor Verdrängung, von Lohnabhängigen vor Ausbeutung. Statt Fantasien von Blut und Boden anzurufen, wäre das eine Politik auf dem Boden der Tatsachen.
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