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Harald Wolf wird Hanseat

LINKE-Politiker legt Mandat nieder und verlässt nach 30 Jahren die Berliner Landespolitik

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Berliner Linkspartei und die Linksfraktion im Abgeordnetenhaus verlieren einen ihrer führenden Köpfe. »Ich werde im Februar mein Abgeordnetenhausmandat niederlegen und nach Hamburg umziehen«, sagt Harald Wolf zu »nd«. Es handele sich um eine »persönliche Entscheidung«. Der Fraktion hatte der bekannte Linkspartei-Politiker seinen Rückzug aus der aktiven Berliner Landespolitik bereits am Dienstagnachmittag mitgeteilt.

Wolf will zwar künftig zwischen der Hansestadt und Berlin pendeln, seinen Lebensmittelpunkt wird er jedoch an die Elbe verlagern. Und politisch will er seine Arbeit noch stärker auf sein Amt als Bundesschatzmeister und Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstands der Linkspartei ausrichten. »Ich habe vor, mich noch mehr auf die Bundespolitik zu konzentrieren«, sagt Wolf. »Ich habe 30 Jahre im Abgeordnetenhaus oder im Senat gesessen – nach so einer Zeit ist es auch mal gut.«

Tatsächlich hat Harald Wolf die Politik der PDS und später der Linkspartei nach seinem Übertritt aus der Alternativen Liste maßgeblich mitgeprägt – als Fraktionschef der PDS seit 1995, als mehrmaliger Spitzenkandidat der Sozialisten und vor allem als Nachfolger von Gregor Gysi im Amt des Wirtschaftssenators und Bürgermeisters, das Wolf von 2002 bis 2011 bekleidete. In diese rot-roten Zeiten fielen die schmerzhaften Kürzungen im Öffentlichen Dienst, die desaströse Privatisierung der Wohnungsbestände der einst kommunalen GSW, die SPD und PDS verscherbelten. Anders als die meisten Beteiligten Reformer hat Wolf sich nach dem Ende der rot-roten Koalition hingesetzt und die Fehler aufgeschrieben. Der Titel seines Buches: »Rot-Rot in Berlin. 2002 bis 2011 eine (selbst-)kritische Bilanz«. Dass es der Linkspartei nach 2011 in der Opposition gelang, sich vergleichsweise schnell zu regenerieren und in die neue Rolle zu schlüpfen, auch daran hat Wolf einen großen Anteil gehabt.

Seinem »Berliner Projekt«, wie er es nennt, werde er »immer verbunden sein«, betont Harald Wolf. Gerade der neue rot-rot-grüne Senat sei »eine wichtige Erfahrung für die Gesamtpartei«. »Rot-Rot-Grün zeigt«, sagt Wolf, »dass anders regieren möglich ist.« Natürlich sind die finanziellen Rahmenbedingungen von heute mit denen der ersten rot-roten Landesregierung in Berlin nicht zu vergleichen. Nach den harten Kürzungsjahren kann die aktuell regierende Koalition zumindest finanziell weitgehend aus dem Vollen schöpfen.

Harald Wolf selbst war nach dem starken Wahlergebnis der Linkspartei 2016 zwar nicht erneut im Senat vertreten (dafür regiert dort Wolfs Cousine Elke Breitenbach als Arbeitssenatorin mit), aber im Hintergrund wirkte er an wichtigen rot-rot-grünen politischen Projekten weiter mit: Beim Thema Stadtwerk beispielsweise, für das er sich auch beim 2013 knapp gescheiterten Volksentscheid über die Rekommunalisierung der Berliner Energieversorgung eingesetzt hatte. Oder zuletzt beim Thema S-Bahn. Die LINKE sähe das Verkehrsunternehmen in Zukunft gerne als Rückgrat des Nahverkehrs in kommunaler Hand.

Dass ein Linker, noch dazu ein ehemaliger Trotzkist, Wirtschaft kann, war im Jahr 2002 im politischen Berlin nicht bewiesen. Großer Aufreger war dagegen: »Der Mann trägt ja gar keine Krawatte«, erinnert sich Bruder Udo Wolf, der Vorsitzende der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. Seinerzeit stand die Frage im Raum, ob ein Politiker ohne Krawatte überhaupt Wirtschaftssenator sein kann. Darüber habe es heftigste Auseinandersetzungen gegeben, sagt Udo Wolf. Zwei Legislaturen später stand fest: Als Wirtschaftssenator prägte Harald Wolf die Wirtschaftspolitik wie danach keiner mehr. Sein »Cluster«-Ansatz, also die Politik, bestimmte Branchen wie beispielsweise die Gesundheitswirtschaft explizit zu fördern, zeigt bis heute Erfolge. Selbst den neoliberalen Wirtschaftskreisen verlangte das Agieren Wolfs Respekt ab. Der Hauptgeschäftsführer der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK), Jan Eder, erklärt »nd« am Mittwoch: »Wir behalten Harald Wolf als Wirtschaftssenator in Erinnerung, mit dem wir hier in Berlin gut zusammengearbeitet haben.«

Den Abgang seines Bruders Harald nach so vielen gemeinsamen Jahren (in den 1980er Jahren wohnten die Wolf-Brüder bereits zeitweise gemeinsam mit dem Grünen-Politiker Volker Ratzmann in einer Wohngemeinschaft zusammen) findet Fraktionschef Udo Wolf indes »schade«. »Wenn jemand nach 30 Jahren aus der aktiven Landespolitik ausscheidet, geht natürlich eine Ära zu Ende«, sagt der Fraktionschef. Um den Wissenstransfer zu gewährleisten und den Übergang zu organisieren, hat sich die Linksfraktion aber bereits seit Längerem auf den Weggang vorbereitet. »Wir haben mit ihm verabredet, dass er für die Fraktion weiter beratend tätig sein wird«, sagt Udo Wolf. Stichwörter sind dabei unter anderem die Rekommunalisierung und das öffentliche Eigentum.

Auch der Berliner Landesverband der Linkspartei bedauert die Entscheidung von Harald Wolf. »Für uns heißt das, dass ein unglaublicher Erfahrungsschatz verloren geht«, sagt die Landesvorsitzende Katina Schubert. Harald Wolf habe in den vergangenen Jahrzehnten maßgeblichen Einfluss auf die Politik der Partei gehabt. Auch in schwierigen Auseinandersetzungen sei er ein »ruhender Pol« gewesen, sagt Schubert. Wolf werde dem Landesverband fehlen.

Harald Wolf selbst sieht die Fraktion und die Partei, in die der gebürtige Offenbacher erst nach dem NATO-Angriff auf Jugoslawien 1999 eingetreten war, für die kommenden Debatten sehr gut aufgestellt. Auch am Thema Vergesellschaftung von privaten Wohnungskonzernen wolle er weiter arbeiten, kündigt Harald Wolf gegenüber »nd« an.

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