Putins Perestroika

Klaus Joachim Herrmann über die präsidiale Botschaft an Russland

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Russen wünschten Veränderungen, erkannte ihr Präsident, sie sollen sie bekommen. Zuwendungen für Familien und kostenlose warme Mahlzeiten für Kinder bis zur 4. Klasse, auch kostenloser Zugang zum Internet für breitere Teilhabe an den Angelegenheiten der Gesellschaft scheinen als augenfällige Beispiele dafür zu sprechen. Schnelle russische Kommentatoren sahen Wladimir Putins bislang »am stärksten sozialpolitisch orientierte Botschaft an die Nation« schon in die Geschichte eingehen.

Von besonderer Tragweite sind aber auch andere Vorschläge. Das wäre die Beschränkung präsidialer Herrschaft auf zwei Amtszeiten ebenso wie die Ausweitung der Rechte des Parlaments. Dieses würde mit der Befugnis zur Ernennung und Bestätigung der Regierung in ungekannte Verantwortung gebracht. Das wäre nicht nur mit den üblichen Verdächtigungen, der derzeitige Kremlchef strebe nach unbedingtem Machterhalt, unverträglich, wenn auch Russland eine starke präsidiale Republik bleiben soll.

Der als Kritiker und auch als geschätzter Berater Putins bekannte Rechnungshofchef Alexej Kudrin nennt das ein »kleines Schrittchen« hin zur parlamentarischen Republik. Eine Volksabstimmung, wie sie der Präsident wünscht, scheint da angemessen. Aus der Duma, die es wohl kaum erwarten kann, kam mit September schon der erste Terminvorschlag. Die Regierung hat mit ihrem Rücktritt unmittelbar nach Putins Rede schon einmal den Weg freigemacht.

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