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Eine Agrarwende ist nötig
Olaf Bandt findet, die derzeitige Landwirtschaftspolitik heizt einen ruinösen Wettbewerb zulasten von Mensch und Natur an
Die weltweit größte Landwirtschafts- und Verbrauchermesse »Grüne Woche« öffnet unter dem Berliner Funkturm ihre Türen. Agrardemos finden statt, Studien werden vorgestellt und agrarpolitische Debatten im Bundestag geführt. »Same procedure as every year!«, könnte man meinen.
Doch in diesem Januar ist etwas anders: Deutschlands Bäuerinnen und Bauern machen ihrem Unmut seit Monaten Luft. Im Herbst stellten sie grüne Protestkreuze auf und folgten zu Tausenden Demoaufrufen. Es gab sogar eine Einladung ins Kanzleramt. Doch wofür die Landwirt*innen auf die Straße gehen, bleibt unklar. Während einige sich missverstanden fühlen oder eine fehlende Wertschätzung kritisieren, regen sich andere über geplante Änderungen der Düngeverordnung zum Schutz des Grundwassers oder über neue Regelungen zum Insektenschutz auf. Auf den Höfen mischen sich Sorgen und Ängste. Der wirtschaftliche Spielraum in den Betrieben ist gering. Niedrige Erzeugerpreise, schlechte wirtschaftliche Aussichten und fehlende Hofnachfolge sind Alltag vieler Landwirt*innen. Im Fokus der Bauernproteste stehen Politiker*innen, Medien, aber auch wir Umwelt-, Natur- und Tierschutzverbände. In den sozialen Netzwerken radikalisiert sich unter den Betroffenen zunehmend die Sprache. Vereinzelt werden sogar Journalist*innen bedroht. Der Bauernprotest droht so nicht nur jeden Bezug zur Gesellschaft zu verlieren, sondern auch von der AfD vereinnahmt zu werden.
Diese Entwicklung erfüllt mich mit Sorge. Der Unmut der Landwirt*innen ist verständlich, in der Agrarpolitik gibt es seit Jahren einen massiven Reformstau. Diese geht klar zulasten der bäuerlichen Strukturen. Gleichzeitig werden in der Gesellschaft Stimmen laut, die eine andere Landwirtschaft fordern. Die Lebensmittelindustrie nimmt dies zwar auf, wälzt aber die höheren Anforderungen auf die Landwirtschaft ab. Entlohnen will der Handel ein mehr an Umwelt- und Tierschutz nicht. Mit dem Beharren auf überholten Strukturen und Produktionsweisen haben die Agrarindustrie und der Bauernverband einen großen Anteil daran, dass viele Betriebe mit dem Rücken zur Wand stehen. Und auch eine Politik nach dem Motto »Weiter so« bietet der bäuerlichen Landwirtschaft keine Zukunftsperspektive und kann Umweltprobleme nicht lösen.
Der anhaltende Strukturwandel, das Höfesterben und der Artenschwund haben oft die gleichen Ursachen: eine Agrarpolitik, die auf maximale Intensivierung und Exportorientierung setzt und einen ruinösen Wettbewerb zulasten von Mensch, Tier und Natur anheizt. Bäuerliche Landwirtschaft - egal ob ökologisch oder konventionell - und der Schutz von Natur und biologischer Vielfalt dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Im Gegenteil: Die für Höfesterben wie Artensterben gleichermaßen verantwortliche Politik muss geändert werden. Genau das fordern morgen wieder Zehntausende bei der »Wir haben es satt«-Demo in Berlin. Dort gehen Verbraucher*innen gemeinsam mit Landwirt*innen auf die Straße.
Dringend notwendig ist ein breiter gesellschaftlicher Konsens über die Zukunft der Landwirtschaft. Die gesellschaftlichen Anforderungen an die Landwirtschaft und Nutztierhaltung müssen definiert, der Status quo erfasst und die finanziellen sowie zeitlichen Umbauschritte vereinbart werden. Dafür brauchen Landwirt*innen gesellschaftliche Unterstützung und Wertschätzung. Sowohl durch faire Erzeugerpreise, als auch durch Fördermittel und Programme. Das ist das Herzstück der dringend notwendigen Agrarwende und muss die Hauptaufgabe der Agrarpolitik sein. Der Umbau der Nutztierhaltung und des Ackerbaus (sowie des Grünlandes) mit darauf abgestimmten Agrarmilliarden aus Brüssel können den jahrelangen Reformstau durchbrechen und der Landwirtschaft - konventionell und ökologisch - den Weg in eine gedeihliche Zukunft weisen.
2020 stehen wichtige Entscheidungen für Landwirtschaft, Klima und biologische Vielfalt an: Bei der EU-Agrarreform entscheidet sich, ob mit den Milliardensubventionen die Agrarwende gestemmt und das Insektensterben gestoppt werden kann. Und für echten Klima- und Artenschutz müssen wir die Bundesregierung weiter unter Druck setzen. Mit einem Veto gegen das Mercosur-Freihandelsabkommen kann Deutschland helfen, die Feuer am Amazonas einzudämmen. Für diese Ziele demonstrieren wir am Samstag vor dem Brandenburger Tor. Sie auch?
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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