Häuser, hört die Signale

Widerstand gegen Verdrängung alternativer Projekte bekommt prominente Unterstützung

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 3 Min.
Piraten im Berliner Ensemble: »Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren«.
Piraten im Berliner Ensemble: »Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren«.

Elfriede Jelinek und Nina Hagen sind dabei, die Autor*innen Sybille Berg und Karsten Krampitz, die Musikerinnen Bernadette la Hengst und Sookee, die Bands Die Goldenen Zitronen und Herbst in Peking - sogar der französische Soziologe Didier Eribon hat unterschrieben.

Über 70 bekannte Künstler*innen stehen seit Montag hinter der Forderung an den Berliner Senat, den Ausverkauf der Stadt, der immer öfter unkommerzielle und alternative Orte und Projekte trifft, zu stoppen. Formuliert hatte diese vor einigen Wochen ein Zusammenschluss aus linken Hausprojekten, Kneipenkollektiven und Jugendzentren unter dem Motto »Kein Haus weniger«: »Während der Berliner Senat zu Recht der Verdrängung von Clubs wie dem Sage/KitKat oder der Griesmühle entgegentritt, fordern wir dasselbe Engagement auch für unkommerzielle Haus- und Kulturprojekte«, heißt es. Über 140 Projekte und Organisationen haben dies bereits getan und sich dem Aufruf angeschlossen.

»Die stärksten Stücke schreibt die Realität, gleich vor eurer Haustür«, sagt eine, als Piratin verkleidete, junge Frau am Montagmorgen im Gartenhaus vom Theater Berliner Ensemble. Knapp 100 Menschen drängen sich in dem kleinen Raum, um ihr zuzuhören. Und in der Tat: wenn jugendliche Punks, Wagenplatzbewohner*innen, Clubbetreiber und Theatermacher*innen gemeinsam Botschaften von renommierten Philosoph*innen und Autor*innen im Gartenhaus vom Berliner Ensemble vortragen, könnte man meinen, es wird ein modernes Theaterstück aufgeführt. Aber Verdrängung ist in Berlin Alltag.

Lesen Sie hier: Ein Stich ins Herz der Linken. Immer mehr selbstverwaltete Projekte stehen vor dem Aus. Doch der Widerstand wächst.

Der Ort der Pressekonferenz von »Kein Haus weniger« ist so auch nicht zufällig gewählt: Er soll die breite Unterstützung symbolisieren, die die Initiative inzwischen bekommt, erklärt ihr Sprecher Marian Koyne. Er ist auch der Ort, an dem Bertolt Brecht Theaterstücke entwickelt hat, die zeigen sollten: Menschen, die gesellschaftlich ausgeschlossen werden, weil sie dem Verwertungs- und Erwartungsdruck nicht entsprechen, erleiden kein tragisches Einzelschicksal. Nein, sie sind gemeinsam von gesellschaftlichen Konflikten betroffen - und setzen sich deshalb im besten Fall auch gemeinsam dagegen zur Wehr.

»Es macht mich nicht nur traurig, sondern auch unfassbar wütend, zu beobachten, wie Berlin Stück für Stück in seiner kulturellen und vielfältigen Substanz durch den Wahn des neoliberalen Monsters zerstückelt und aufgefressen wird«, sagt der Theaterregisseur Ersan Mondtag zu seiner Unterschrift für »Kein Haus weniger«. »Wir müssen um jeden Quadratzentimeter kämpfen, sonst frisst uns das Monster am Ende mit auf.« Was Mondtag meint, ist vielen Berliner*innen inzwischen bewusst: Mietenwahnsinn und Investoreninteressen verdrängen und zerstören ganze Haus- und Kiezgemeinschaften. Betroffen ist aber auch der Teil Berlins, der es berühmt und attraktiv gemacht hat - seine alternative Szene mit Musik, besetzten Häusern und Freiräumen für Jugendliche und unzählige Menschen, für die Leben mehr bedeutet, als sich in gesellschaftliche Konformitäts- und Leistungszwänge einzufügen.

Schon als geteilte Stadt stand Berlin für die Möglichkeit, kreative und unkommerzielle Lebens-, Kunst- und Arbeitsweisen entwickeln zu können. Ein Dutzend solcher Projekte steht derzeit kurz vor ihrer Räumung oder Schließung. Dutzende hat es in den vergangenen Jahren bereits getroffen, noch mehr müssen bangen. Die Stadt, so die Initiative, steht in der Verantwortung, dies zu beenden.

»Kein Wohnhaus, keine Kneipe, auch kein Gemüseladen und kein Spätkauf dürfen mehr aufgegeben werden, damit an ihrer Stelle ein Luxusloft oder ein hochpreisiges Hotel entstehen«, bringt die Autorin Bini Adamczak es auf den Punkt: »Deshalb ist die Forderung ›Kein Haus weniger‹ eine gute Forderung.«

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