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Frust über schleppende Krisenbewältigung
In Libanon greifen Demonstranten Banken an, um gegen eingeschränkten Devisenzugang zu protestieren
»Die Regierung befindet sich im Koma!«, schimpften Protestierende in Beirut am vergangenen Wochenende. Sie spielen damit auf die stockende Krisenbewältigung an. Die Abstimmung des Parlaments über den Haushaltsentwurf 2020 könnte sich weiter verzögern, verkündete Parlamentssprecher Nabih Berri. Ohne Budget kann aber kein Land regiert werden.
Die US-amerikanische Botschaft ließ verlauten, dass »sich die libanesischen Führer zu Reformen verpflichten müssen, um den Forderungen des libanesischen Volkes nach einem Ende der endemischen Korruption, einer besseren Regierungsführung und wirtschaftlichen Möglichkeiten nachzukommen.« Ohne die Bildung einer solchen Regierung werde es keine zukünftige internationale Hilfe für Libanon geben. »In diesem Punkt besteht ein starker internationaler Konsens.«
Es wird immer deutlicher, dass die politische Krise mit einer massiven Finanzkrise einhergeht. Beide zusammen lähmen das Land. Als eine der am höchsten verschuldeten Nationen der Welt mit Verbindlichkeiten, die 155 Prozent des BIP erreichen, steht Libanon nach Jahren des fiskalischen Missmanagements und des Versagens der Politik, dringend benötigte Reformen durchzuführen, vor seiner schlimmsten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. Immer mehr Banken weigern sich, den Menschen ihre vollen Gehälter oder Guthaben auszuzahlen. Mitglieder der oberen Mittelschicht diskutieren, wie sie ihre Ersparnisse retten können. Das Wort vom »argentinischen Szenario« hört man immer öfter in Beiruts Cafés und Restaurants. Argentinien schlitterte 2001 in die Zahlungsunfähigkeit und viele Bürger verloren dabei einen Gutteil ihrer Ersparnisse.
Noch am 28. Oktober 2019, elf Tage nach Beginn der landesweiten Anti-Regierungs-Proteste in Libanons versicherte der Zentralbankgouverneur Riad Salameh, dass es keine Kapitalkontrollen und keinen »Haarschnitt« bei den Bankeinlagen geben werde. Diese Ankündigung kam Minuten, nachdem er CNN mitgeteilt hatte, dass Libanon »Tage vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch« stehe. Salameh stellte später gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters klar, dass er habe sagen wollen, dass Libanon »eine Lösung in wenigen Tagen braucht, um das Vertrauen wiederzugewinnen und einen zukünftigen Zusammenbruch zu vermeiden«. Später versuchte er, die Bedenken weiter zu zerstreuen, und sagte, dass die Zentralbank Devisenreserven von 30 Milliarden Dollar und eine Bilanzsumme von 38 Milliarden Dollar habe.
Premierminister Saad Hariri trat angesichts der Proteste vorläufig zurück. Sein Rücktritt wurde bisher nicht von Präsident Michel Aoun akzeptiert. Auch gegen Hariri richtete sich der Volkszorn: Unlängst kam heraus, dass er im Jahr 2013 einer südafrikanischen Begleiterin, Candice van der Merwe, angeblich 16 Millionen Dollar in bar gezahlt hatte, nachdem er sie auf den Seychellen getroffen hatte. War nicht illegal, kam aber nicht gut an in einem Land, wo jeder Dritte unter der Armutsgrenze lebt.
Hassan Diab versucht nun, seit seiner Ernennung zum Interimspremierminister am 19. Dezember, eine Regierung zu bilden. Diab hat versprochen, ein kleines Kabinett zu bilden, das aus unabhängigen Experten besteht, die nicht mit politischen Parteien verbunden sind. Dies ist eine Hauptforderung der Hunderttausenden von Demonstranten, die seit dem 17. Oktober auf die Straße gehen. Sie wollen ein Ende des konfessionellen Herrschaftssystems und das Abdanken einer politischen Elite, die sie für korrupt und inkompetent halten. Doch Diab ist auf den Widerstand der traditionellen politischen Parteien gestoßen, darunter die maronitisch dominierte Freie Patriotische Bewegung von Außenminister Gebran Bassil, die auch das Wirtschafts- und das Justizministerium führt, sowie die schiitische Amal-Bewegung, die den Finanzminister, sowie den berüchtigten Parlamentssprecher Nabih Berri stellt und die mit der Hisbollah verbündet ist.
Bassil wird von Protestierenden beschuldigt, die Konfessionsgruppen gegeneinander auszuspielen, um die Libanesen zu spalten. Berri, 81, ist seit 1992 Parlamentspräsident. Seine Kritiker werfen ihm vor, seine Position missbraucht zu haben, um ein kolossales persönliches Vermögen anzuhäufen. Laut dem Informationsdienst Middle East Intelligence Bulletin ist Berri dafür bekannt, in Regierungskrisen Geld vom Premierminister zu erpressen, um als Gegenleistung notwendige Entscheidungen zu unterstützen. Auch der Rest seiner Familie hat Positionen genutzt, um großen persönlichen Reichtum zu generieren. Berris Unbeliebtheit bei den Schiiten ist einer der Gründe für den Erfolg der anderen Schiitengruppierung Hisbollah.
Die Situation schafft das perfekte Umfeld für die Geldwäschebranche. Bei so viel Geld, das über Wechselstuben und den Schwarzmarkt transferiert wird, gibt es wenig Raum für staatliche Aufsicht. Aber das ist nicht die unmittelbarste Sorge der Banken. Während die Frustration der Kunden weiter wächst, werden Geschäftsbankfilialen regelmäßig angegriffen und verwüstet, die Mitarbeiter häufig Opfer von physischer Gewalt.
Mitte Januar bestätigte Zentralbankgouverneur Salameh, dass er die Regierung um »außerordentliche Befugnisse« zur Regulierung und Standardisierung der Kontrollen bittet, um »faire Beziehungen« zwischen Banken und Kunden zu gewährleisten. Parlamentssprecher Berri erwiderte, dass eine geschäftsführende Regierung nicht in der Lage sei, »Ausnahmebefugnisse« für einzelne Personen für die Devisenbeschaffung zu genehmigen.
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