- Politik
- Combat 18-Verbot
Besuch bei Rassekriegern
Polizeirazzien gegen »Combat 18« an einem denkwürdigen Tag
Was wohl Beate Zschäpe gedacht hat, als sie am Donnerstagmorgen Radio hörte? Der Bundesinnenminister, so hieß es in den Nachrichten, hat Combat 18 verboten und die Polizei habe Razzien durchgeführt. Dabei klopfte sie auch an die Tür von Robin S. in Castrop-Rauxel. Den kennt die als Terroristin des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) verurteilte Zschäpe recht gut. Die beiden schickten sich Briefe aus und in den Knast. »Grüß Dich, Maulwurf!«, schrieb sie und er schmachtete zurück: »Nachti, Bea!« Rührend. Und so harmlos. Doch das täuscht.
Robin S. ist eine »Hausnummer« bei der rechtsterroristischen Combat-18-Truppe. Mit anderen gehörte er einer Schlägertruppe um die Rechtsrockband »Oixodie« an und wurde zu einer achtjährigen Haftstrafe verurteilt, weil er 2007 bei einem Supermarktüberfall in Dortmund auf einen tunesischstämmigen Kunden geschossen und ihn schwer verletzt hatte.
S. ist auch bekannt mit einem gewissen Stanley R., der bei der Donnerstagsrazzia festgenommen wurde. Er war Anführer der »Oidoxie Streetfighting Crew«, stammt aus Kassel, organisierte dort den »Sturm 18«. Das hessische LKA glaubt, dass R. als Europa-Chef von C18 auch die entsprechenden Konten führt. Vor ein paar Jahren wurde er nach Schießübungen in Tschechien in Bayern wegen der Einfuhr illegaler Munition verhaftet. Auch R. tauchte bei Recherchen zum NSU-Netzwerk auf. Er traf sich mit den Kumpanen von Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, die mindestens zehn Morde, drei Bombenanschläge sowie mehrere Überfälle auf dem Gewissen haben.
S. und R. sind typische C18-Kämpfer. Mindestens 50 weitere, in deren Umfeld sich Unterstützer sammeln, sind den deutschen Sicherheitsbehörden bekannt. Doch das Netzwerk ist weitaus größer, weil international organisiert. Sein Name ist Programm: C meint Combat, also Kampf. Die 1 und die 8 stehen für Buchstaben im Alphabet, ergeben also die Initialen von Adolf Hitler. Gegründet wurde die global verzweigte Truppe 1992 in Großbritannien. Charlie Sargent und Harold Covington rekrutierten Hooligans verschiedener Couleur als »Saalschutz« der British National Party. »Nebenbei« verübte man zahlreiche blutige Anschläge und folgte dabei einem Prinzip des führerlosen Widerstandes. Die einzelnen Terrorzellen sind durch die gemeinsame Ideologie verbunden, doch der Kontakt zwischen ihnen ist lose, so dass Fahnder nie der gesamten Organisation gefährlich werden können. Genau nach diesem System hatte sich das Netzwerk des NSU organisiert.
Obwohl von den Sicherheitsbehörden nie wirklich bedroht, erlebte C18 zahlreiche innere Zerwürfnisse. 2012 kam es zu einer Wiederbelebung. Man verstand sich aber weiter als militanter Arm der rechtsextremen »Blood & Honour«-Bewegung, die in Deutschland bereits im Jahr 2000 verboten worden war.
Die Mitglieder von C18 bereiten sich wie ehedem auf einen angeblich unausweichlichen Rassenkrieg vor und wollen die bestehenden sozialen Ordnungen besser heute als morgen abschaffen. Dafür trainieren sie, beschaffen Waffen und Sprengstoff, verbreiten Angst und führen Attentate aus. Und wie reagieren die Behörden?
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) wiegelte ab, sprach davon, dass »etwaige Radikalisierungstendenzen« bei C18 »nicht notwendigerweise die Gesamtorganisation betreffen müssen«. Gewaltorgien schrieb man wie so oft »Einzelpersonen« zu. Wer im aktuellen Verfassungsschutzbericht nach »Combat 18« sucht, wird in keiner Zeile fündig.
Gedenkstättenleiter: Rechte treten in Buchenwald immer offener auf
Laut Knigge gibt es in der Gedenkstätte immer wieder »gezielte, vorbereitete Störungen von Besucherführungen«
Es ist nicht anzunehmen, dass die Verfassungsschützer in Bund und Ländern wirklich so blind sind. Schon gar nicht, seitdem der Rechtsaußenverharmloser Hans-Georg Maaßen nicht mehr Chef des BfV ist. Und doch fasste man C18 jahrelang mit Samthandschuhen an. Das spricht dafür, dass der Geheimdienst die Terrortruppe durch seine V-Leute unterwandert hat und als »Honigtopf« benutzte, um gewaltbereite Rechtsextremisten anzuziehen und zu kontrollieren.
Womöglich deshalb hat das Land Hessen wesentliche NSU-Ermittlungsresultate zum absoluten Geheimnis erklärt. Gesperrt für 120 Jahre. Doch nachdem klar wurde, dass Stephan Ernst und Markus H. - beide sollen im Juni vergangenen Jahres den Kasseler CDU-Kommunalpolitiker Walter Lübcke umgebracht haben - nachhaltige Kontakte in die C18-Szene hatten, womöglich in deren Waffenhandel verstrickt waren, wird sich der Obrigkeitswunsch nach dauerhafter Geheimhaltung staatlichen »Versagens« wohl nicht erfüllen. Man darf auf die Anklage des Generalbundesanwaltes gespannt sein, der - entgegen eigenen Behauptungen - über die gesperrten hessischen Akten verfügt.
Der Mord an Lübcke hat gezeigt, was man schon bei Ermittlungen zum NSU erkennen musste: V-Leuten kann man - anders als der Begriff suggeriert - nicht vertrauen. Das System staatlich alimentierter Neonazi-Spitzel ist trotz zahlreicher methodischer Änderungen untauglich zur Verteidigung von Rechtsstaat und Demokratie. Dass Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) »Combat 18« nun als »rassistische, antisemitische und fremdenfeindliche Organisation«, die »mit dem Nationalsozialismus wesensverwandt« ist, verbot, ist lange überfällig.
Die Entscheidung wurde am 23. Januar bekannt. Nur wenige Tage vor dem 75. Jahrestag der Befreiung der Überlebenden des faschistischen Vernichtungslagers Auschwitz. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier betonte am Donnerstag an der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem, die Erinnerung an die Naziverbrechen beinhalte, Verantwortung für das Heute und Morgen zu übernehmen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.