Genossen als Lobbyisten

Sigmar Gabriel setzt mit seinem Engagement bei der Deutschen Bank eine unrühmliche Tradition in der SPD fort.

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.

Die vielen Jahre, die Sigmar Gabriel als Abgeordneter, Parteivorsitzender, niedersächsischer Ministerpräsident und Bundesminister verbracht hat, zahlen sich jetzt erst aus. Die Deutsche Bank hat den Sozialdemokraten für einen Sitz im Aufsichtsrat nominiert. Für das Geldhaus ging es in den vergangenen Jahren bergab. Die Belegschaft soll nun reduziert werden. Nach derzeitigen Planungen werden 18.000 Jobs wegfallen. In dieser Phase ist es von Vorteil, einen Mann in den eigenen Reihen zu haben, der über gute politische Kontakte verfügt. Die Deutsche Bank hob Gabriels »großen Erfahrungsschatz« als Politiker hervor.

Überraschend ist die Entscheidung freilich nicht. Gabriel war auf eigenen Wunsch im November aus dem Bundestag ausgeschieden. Der 60-Jährige hat andere Dinge zu tun. Er ist inzwischen unter anderem Vorsitzender des deutsch-amerikanischen Lobbyvereins Atlantik-Brücke und sitzt im Beirat des internationalen Prüfungs- und Beratungsunternehmens Deloitte.

Gabriel setzt somit eine unrühmliche Tradition der SPD fort. Auch vor ihm hatten zahlreiche sozialdemokratische Spitzenpolitiker lukrative Anschlussbeschäftigungen gefunden. Der frühere Kanzler Gerhard Schröder ist für verschiedene Unternehmen, darunter der russische Energiekonzern Gazprom, als Lobbyist tätig. Ex-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement wirbt als Kuratoriumsvorsitzender der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft für den neoliberalen Umbau der Wirtschaft. Und vor einigen Jahren warf Transparency International dem einstigen Arbeitsminister Walter Riester sowie dem früheren Wirtschaftsweisen Bert Rürup wegen geschäftlicher Verbindungen zum Finanzunternehmer Carsten Maschmeyer »politische Korruption« vor.

Diese Liste ließe sich fortschreiben. Für das Image der SPD, die für sich in Anspruch nimmt, »hart arbeitende Menschen« zu vertreten, sind die fragwürdigen Karrieren des eigenen Spitzenpersonals verheerend. Diverse Medien spotteten schon während Gerhard Schröders Kanzlerschaft über die »Genossen der Bosse«. Grund hierfür war Schröders große Nähe zur Wirtschaft und zu ihren Spitzenvertretern.

Die Mehrheit der Parteibasis will so etwas nicht mehr über ihre führenden Politiker lesen. Viele erinnern sich noch mit Grausen an die Zeit, als Peer Steinbrück Bundeskanzler werden wollte. Die Parteilinke hatte ihm im Jahr 2013 ein Wahlprogramm aufgezwungen, das eine moderate Umverteilungspolitik vorsah. Doch Programm und Kandidat passten nicht zusammen. Steinbrück hatte sich in seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter mit Vortragshonoraren, die ihm vor allem von Unternehmen der Finanz- und Versicherungsbranche gezahlt wurden, eine goldene Nase verdient. Der Verdacht lag nahe, dass dies nicht ohne Gegenleistung bleiben kann.

Möglicherweise hat der Wunsch nach einer unverdächtigen neuen Parteispitze dazu beigetragen, dass Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken im Dezember bei der Basisabstimmung die meisten Stimmen erhalten hatten und nun die SPD anführen. Walter-Borjans war nach seiner Zeit als nordrhein-westfälischer Finanzminister Politrentner, Esken eine wenig bekannte Bundestagsabgeordnete. Ihr Gegenkandidat, Finanzminister Olaf Scholz, der mit Klara Geywitz angetreten war, schenkt dubiosen Lobbyisten hingegen viel Aufmerksamkeit.

Im Jahr 2018 hatten Medien berichtet, dass Scholz bei einem bekannten Lobbyisten zur Miete wohnt. Es handelte sich um Siegmar Mosdorf. Der frühere SPD-Politiker verdient sein Geld als Partner bei der Lobbyagentur CNC. Er vertrat etwa tschechische Investoren, die 2016 die Braunkohlesparte von Vattenfall übernahmen. Mosdorf gehörte als einstiger Staatssekretär ebenso wie Scholz, der früher SPD-Generalsekretär war, zum Umfeld von Gerhard Schröder.

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