Links gegen Links, Radikal gegen Liberal

Auf der Demonstration gegen das »Indymedia Linksunten«-Verbot wurden auch Raketen abgeschossen. Sie haben eine Debatte entzündet

  • Max Zeising, Leipzig
  • Lesedauer: 3 Min.

Der geübte Umgang mit Pyrotechnik ist in bestimmten linksradikalen Kreisen ebenso verbreitet wie unter Fußball-Ultras. Pose-Fotos mit schwarzer Streetwear-Uniform und genügend Brennmaterial gehören zum Anarcho-Chic wie besetzte Häuser mit viel Graffiti. Auch auf der Demonstration gegen das Verbot der Internetplattform »Indymedia Linksunten«, die am Samstag mit 1600 Teilnehmern durch Leipzig zog, wählten einige Teilnehmer Raketen gegen die kalte Winternacht. Doch die schossen aus der Sicht einiger Beobachter am Ende sprichwörtlich übers Ziel hinaus.

»Kann mir mal jemand erklären, warum le2501 so gelaufen ist, wie es gelaufen ist? Ich verstehe es nicht. Ich verstehe nicht, was das mit den inhaltlichen Zielen, die ich durchaus teile, zu tun hat«, mokierte sich die LINKE-Landtagsabgeordnete Juliane Nagel auf Twitter und bezog sich dabei sicher nicht nur auf die äußerste Brutalität einiger Demonstranten, die Pyrotechnik und Steine auf Polizisten warfen. Auch Journalisten gerieten auf dieser Demo, die sich - wohlgemerkt - gegen die Schließung eines Nachrichtenportals wandte, zur Zielscheibe der Aggression. Wie die taz-Reporterin Helke Ellersiek, die von regelrechter Gewaltandrohung berichtete. »Noch ein Foto, dann hau ich dir auf’s Maul und das Handy ist weg«, soll ein Demonstrant zu ihr gesagt haben. Ein MDR-Reporter fasste zusammen: »Eine derartige, auch gewalttätige Medienfeindlichkeit habe ich bei einer linken Demo mindestens 20 Jahre nicht erlebt.«

Juliane Nagel gilt als parlamentarischer Arm des linksradikal geprägten Stadtteils Leipzig-Connewitz. Mit ihrer Kritik hat sie eine interne Debatte ausgelöst. Im Netz fliegen bereits die Fetzen. Nicht zwischen Links und Rechts, oder zwischen Links und Polizei. Nein, diesmal zwischen Links und Links. Als »Bauchlinke«, »Linksliberale« oder »Bürgerlich-Linke« werden dabei jene verachtet, die das militante Schauspiel kritisierten. Die wiederum sind »fassungslos«, wie die sächsische Sozialdemokratin Daniela Kolbe. Oder bemängeln fehlendes taktisches Verständnis, wie die Linksjugend Bautzen: »Ein Pflegedienst, dessen Auto zerstört wurde, ist nicht schuld an Repression, Rechtsruck und Kapitalismus.«

Speziell in Ostdeutschland ist die radikale Linke in die Defensive geraten, ihre Aktionen sind vom Terminkalender von Neonazis gelenkt, sie ist von Polizeigesetzen getrieben und sucht nach einer Strategie, um sich ihre Freiräume zu sichern. Die gewählte Flucht nach vorn, inklusive verbalem Rundumschlag, zeigt sich etwa in der Reaktion der Leipziger Gruppe »Rassismus tötet« auf Twitter: »Zwei Jahre interessieren sich Medien und Journalist*innen kaum für das Verbot, die Folge und die Aktionen vom Staat gegen die Betroffenen ... und diese Medien beschweren sich jetzt, dass es mal ein paar Menschen gab, die keinen Bock mehr auf die Scheiße hatten?« Aus anderen linksradikalen Kreisen hört man aber, ein solches Vorgehen sei unklug, weil es die Gräben zwischen den einen und den anderen Linken vertiefe.

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Wiederum andere, so die Initiative »Aufbruch Ost«, bevorzugen ohnehin eine ganz andere Form der Radikalität. Es gehe darum, »mehr Gesellschaft zu wagen«. Dies setze jedoch voraus, »die politischen Praxen radikal zu erweitern und sich aus der Szeneblase heraus zu begeben«.

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