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Áñez richtet sich auf Morales’ Posten ein
De-facto-Präsidentin will bei Wahl am 3. Mai antreten / Bundesregierung betrachtet Machtwechsel als rechtmäßig
In der bolivianischen Rechten macht sich Unruhe breit. Am 24. Januar hatte De-facto-Präsidentin Jeanine Ánéz angekündigt, bei der Präsidentschaftswahl am 3. Mai zu kandidieren. Damit widerrief die konservative Politikerin frühere Aussagen, wonach sie das höchste Staatsamt nur vorübergehend bekleiden wolle. Auch hatte sie stets gefordert, dass die Gegner*innen von Ex-Präsident Evo Morales sich auf eine gemeinsame Kandidatur einigen sollten. Nach jetzigem Stand tritt die Rechte in fünf verschiedenen Wahlbündnissen gegen Morales’ Partei Bewegung zum Sozialismus (MAS) an.
Als aussichtsreicher rechter Kandidat galt bisher der ultrareligiöse Luis Camacho aus Santa Cruz im Tiefland, der bei den Protesten gegen Evo Morales im vergangenen Oktober eine entscheidende Rolle gespielt hatte. Zudem rechnen sich unter anderem die Ex-Präsidenten Carlos Mesa und Jorge Tuto Quiroga jeweils Chancen auf die Präsidentschaft aus. Die MAS hatte bereits am 19. Januar Ex-Wirtschaftsminister Luis Arce als Präsidentschaftskandidaten aufgestellt. Da laut bolivianischem Wahlrecht über 40 Prozent der Stimmen und zehn Prozentpunkte Vorsprung für einen Sieg in der ersten Runde reichen, könnte die rechte Uneinigkeit der MAS in die Hände spielen.
Áñez’ Vorhaben sorgte unter rechten Politiker*innen und Kommentator*innen teilweise für Unverständnis. »Eine Kandidatur der Präsidentin beschädigt die Glaubwürdigkeit des Übergangs«, erklärte etwa Carlos Mesa, der bei den umstrittenen Wahlen am 20. Oktober hinter Morales den zweiten Platz belegt hatte. Der argentinische Journalist Andrés Oppenheimer, dessen Kolumnen in ganz Lateinamerika gelesen werden, bezeichnete Áñez’ Kandidatur schlicht als »Schande«.
Um doch noch ein gemeinsames Bündnis zu schmieden, trafen sich die fünf rechten Kandidat*innen am Samstag in Santa Cruz und verabredeten eine weitere Zusammenkunft am 3. April. Aufgrund interner Differenzen ist es jedoch unwahrscheinlich, dass sie sich auf eine gemeinsame Kandidatur einigen werden.
Die De-facto-Präsidentin Áñez trotzt bisher der Kritik. Nachdem Kommunikationsministerin Roxana Lizárraga zurückgetreten war, wollte Áñez ihr Kabinett gänzlich umkrempeln. Schließlich bestätigte sie ihr Regierungsteam aber mit Ausnahme der Ressorts Kommunikation, Bildung und Entwicklung. So konnte sie die Loyalität ihrer Minister*innen prüfen.
Nachdem sich Áñez ihre Amtszeit bereits von ursprünglich 90 Tagen auf über ein halbes Jahr ausweiten ließ, zieht die Interimspräsidentin nun mit einem Amtsbonus in den Wahlkampf. Zudem wirft das juristische Vorgehen gegen zahlreiche Politiker*innen der MAS die Frage auf, wie fair der Wahlkampf verlaufen wird. Auch Kandidat Luis Arce muss sich einem Verfahren stellen. Kurz nach Bekanntgabe seiner Kandidatur hatte die Staatsanwaltschaft Ermittlungen über einen Fonds für indigene Projekte gegen den Ex-Wirtschaftsminister ausgeweitet. Am vergangenen Dienstag waren Arce und sein Vizekandidat David Choquehuanca aus Argentinien, wo sie sich mit dem exilierten Morales beraten hatten, nach Bolivien zurückgekehrt.
Die deutsche Regierung hält derweil an ihrer Einschätzung fest, wonach der Machtwechsel in Bolivien rechtmäßig verlaufen sei und keinen Putsch darstelle. Am 10. November war Morales zurückgetreten, nachdem sich Polizeieinheiten und das Militär gegen ihn gestellt hatten. In der Antwort auf eine am 16. Dezember von der Linksfraktion im Bundestag gestellte Kleine Anfrage begrüßte sie, »dass das Machtvakuum durch Ausrufen von Jeanine Áñez zur Übergangspräsidentin beendet wurde«. Zudem beteuert die Bundesregierung, dass das Ziel der Regierung Áñez in der »Vorbereitung von Neuwahlen und der Befriedung des Landes« bestehe. Auf die Frage, ob die »weitreichenden Amtshandlungen der De-facto-Regierung« im Widerspruch zu ihrem Mandat stünden, geht sie nicht näher ein.
»Die Bundesregierung steht weiterhin kritiklos an der Seite der Putschisten in Bolivien, während diese innen-, außen- und wirtschaftspolitische Fakten schaffen, die weit außerhalb des Mandats einer Übergangsregierung liegen«, kommentiert Andrej Hunko, europapolitischer Sprecher der Linksfraktion, die Antwort gegenüber »nd«. Ähnlich wie in ihrer Venezuela-Politik werfe die Bundesregierung »Verfassung und Völkerrecht schnell über Bord«, wenn es um »wirtschaftliche oder geopolitische Interessen« gehe. Auch diese Interessen stehen bei den Wahlen am 3. Mai im Mittelpunkt.
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