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Einbürgerung von NS-Opfern verhindert
Wiedergutmachung per Gesetz scheitert an Koalition
Die vergangene Woche im politischen Berlin stand ganz im Zeichen der Erinnerung an die Gräuel des Faschismus, vor allem seine Verbrechen an den Juden. Anlass bot der 27. Januar; an diesem Tag vor 75 Jahren war das Vernichtungslager in Auschwitz von der Sowjetarmee befreit worden.
Die vielen mahnenden Worte im Plenum fanden jedoch, als es am Donnerstagabend die Gelegenheit gab, keine Bestätigung in der realen Politik des Bundestages. Da standen Anträge der Grünen, der LINKEN wie auch der FDP zur Wiedereinbürgerung von Menschen in Deutschland auf der Tagesordnung, denen oder deren Vorfahren die Staatsangehörigkeit in der Zeit des Faschismus entzogen worden war. Die Große Koalition lehnte alle Anträge mit der Begründung ab, dass sie eine Gesetzesänderung nicht für angemessen halte. Das Problem sei durch Verwaltungsverordnungen geregelt, die Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) 2019 auf den Weg gebracht hatte.
Das Grundgesetz selbst sichert Nachfahren von Verfolgten des Naziregimes die Wiedereinbürgerung zu: »Frühere deutsche Staatsangehörige, denen zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 die Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen worden ist, und ihre Abkömmlinge sind auf Antrag wieder einzubürgern. Sie gelten als nicht ausgebürgert, sofern sie nach dem 8. Mai 1945 ihren Wohnsitz in Deutschland genommen haben und nicht einen entgegengesetzten Willen zum Ausdruck gebracht haben.«
Bestimmte Gruppen würden von ihrem Anspruch auf Einbürgerung ausgeschlossen, so die Argumentation der Opposition. So etwa Nachfahren von Opfern des Faschismus, die das Recht nicht durch Abstammung erworben haben. Deutsche Frauen, deren Kind aus einer Ehe mit einem ausländischen Mann stammt, könnten unter Umständen die deutsche Staatsangehörigkeit nicht an das Kind weitergeben. Vielfach wurden verfolgte Menschen nicht formal ausgebürgert; sie verloren die deutsche Staatsangehörigkeit durch die Annahme einer anderen Staatsangehörigkeit.
Zudem bewertet die Opposition die Rechtssicherheit von Verordnungen geringer als die von Gesetzen. Seehofers Erlasse könnten schnell wieder zurückgenommen werden und schafften keine Rechtssicherheit. Die SPD, die den Anträgen in der Aussprache inhaltlich beipflichtete, fügte sich jedoch der Koalitionsdisziplin. Die Union leugnete schlicht jeden Handlungsbedarf. Ein neues Gesetz schaffe »weniger Rechtssicherheit«, behauptete Philipp Amthor (CDU). Mit Agenturen
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