So spannend wie beim ersten Mal

Fragen und Antworten zur Wahl des Ministerpräsidenten im Thüringer Landtag

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 4 Min.

An diesem Mittwoch soll ein neuer Regierungschef für Thüringen gewählt werden. Nach dem Wunsch von LINKEN, SPD und Grünen soll das der alte sein, Bodo Ramelow. Geht es nach CDU, FDP und AfD, dann soll der 63-Jährige auf keinen Fall ein weiteres Mal zum Ministerpräsidenten erkoren werden. Was genau ist in der Parlamentssitzung zu erwarten?

Wie läuft die Wahl ab?

Der Landtag kommt am Mittwoch um 11 Uhr zu einer Sondersitzung zusammen. Laut Artikel 70 der Verfassung wird »ohne Aussprache in geheimer Abstimmung gewählt«. Das heißt: Thüringens Landtagspräsidentin Birgit Keller (LINKE) wird die Sitzung eröffnen, dann kommt es sehr schnell zum ersten Wahlgang. Alle Abgeordneten werden einzeln und namentlich aufgerufen, erhalten einen Stimmzettel und gehen dann in eine bereitstehende Wahlkabine, um dort für oder gegen einen Kandidaten zu stimmen - abhängig davon, wie viele Bewerber für das Amt es gibt. Dann werden die Stimmen ausgezählt und das Ergebnis verkündet. Erhält ein Bewerber in diesem ersten Wahlgang mehr als die Hälfte der Ja-Stimmen - in diesem Landtag also mindestens 46 -, ist er als Ministerpräsident gewählt.

Und wenn es keine absolute Mehrheit im ersten Wahlgang gibt?

Dann findet ein zweiter Wahlgang statt, der im Wesentlichen so abläuft wie der erste. Einziger Unterschied: Im ersten Wahlgang dürfen nur die Bewerber antreten, die im konkreten Fall bis Montag bei der Landtagsverwaltung als Kandidaten von einer oder mehreren Landtagsfraktionen vorgeschlagen worden waren: also Ramelow, auf Vorschlag von Rot-Rot-Grün, und der Kommunalpolitiker Christoph Kindervater, auf Vorschlag der AfD-Fraktion. Anders ab dem zweiten Wahlgang: Nach Angaben eines Sprechers der Landtagsverwaltung können die Fraktionen dann auch spontan weitere Personalvorschläge machen. Aber auch wer im zweiten Wahlgang gewählt werden will, braucht mindestens 46 Ja-Stimmen.

Falls es dann wieder keine absolute Mehrheit gibt, kommt es zum viel diskutierten dritten Wahlgang. Wie läuft dieser ab?

Er ist deshalb so besonders, weil dann nicht mehr die absolute Mehrheit der Stimmen für den Wahlerfolg gebraucht wird. In der Landesverfassung heißt es dazu: »Kommt die Wahl auch im zweiten Wahlgang nicht zustande, so ist gewählt, wer in einem weiteren Wahlgang die meisten Stimmen erhält.«

Was ist so umstritten an dieser Formulierung?

Wenn im dritten Wahlgang zwei oder mehr Kandidaten für das Amt antreten, ist an dieser Formulierung gar nichts umstritten. Entweder ein Kandidat bekommt mehr Stimmen als der andere oder die anderen. Oder es gibt einen Stimmenpatt, dann wird noch mal gewählt.

Juristisch umstritten wird es, wenn ein Kandidat alleine im dritten Wahlgang antritt. Sollte Ramelow als Einzelbewerber übrig bleiben, hätte er auch dann »die meisten Stimmen« bekommen, wenn alle 42 Abgeordneten von Rot-Rot-Grün für ihn, aber die 48 Abgeordneten von AfD, CDU und FDP gegen ihn stimmen würden. Die Frage lautet, ob er wirklich Ministerpräsident sein kann, wenn es mehr Stimmen gegen ihn als für ihn geben sollte. Manche Juristen sagen: Ja, denn die Landesverfassung will Stabilität. Andere Juristen sagen: Nein, woher sollte denn bei einem solchen Wahlergebnis die demokratische Legitimation kommen? Die Entscheidung könnte der Thüringer Verfassungsgerichtshof fällen.

Wie wahrscheinlich ist es, dass es zu einem dritten Wahlgang kommt, bei dem Ramelow der einzige Bewerber wäre?

Das lässt sich nicht seriös vorhersagen. Denkbar ist vieles, weil die Ministerpräsidentenwahl geheim ist. Es ist zum Beispiel nicht ausgeschlossen, dass Ramelow schon im zweiten Wahlgang die absolute Mehrheit der Stimmen erhält, etwa weil einzelne CDU- oder FDP-Abgeordnete das endlose Taktieren leid sind. Es kann aber genauso gut sein, dass die Fraktionen spontan noch weitere Bewerber aufbieten werden, sodass die Karten völlig neu gemischt würden.

Sind weitere spontane Bewerbungen absehbar und welche Konsequenzen könnte das haben?

Die FDP will ihren Landes- und Fraktionsvorsitzenden Thomas L. Kemmerich aufbieten, wenn es zu einem dritten Wahlgang kommt und auch die AfD dann ihren oder einen anderen Bewerber ins Rennen schicken würde. Das macht die Vertreter von Rot-Rot-Grün nervös. Deren Befürchtung: Sollte Kemmerich in einem dritten Wahlgang gegen einen AfD-Kandidaten und gegen Ramelow antreten, könnten - es ist ja eine geheime Wahl - alle AfD-Abgeordneten statt für den eigenen Mann für Kemmerich stimmen. Damit hätten sie Ramelow als Ministerpräsident verhindert, Kemmerich wäre Regierungschef und das rot-rot-grüne Minderheitenexperiment wäre geplatzt.

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