Ende der Plastikberge
Verbände legen Bundesregierung Forderungskatalog gegen Verpackungsmüll vor
Wer kennt das nicht: Ist der Einkauf endlich in Schränken und Regalen verstaut, folgt der Gang auf den Hof, denn der Müll ist voller Plastikreste. Bei dem Plastikanteil an Verpackungen gilt Deutschland als Spitzenreiter. Laut Umweltbundesamt fielen 2016 in Deutschland mehr als 220 Kilogramm Verpackungsmüll pro Kopf an. Davon seien etwa 40 Kilogramm Kunststoffe.
Ein Bündnis aus Umweltorganisationen und kleineren Verbänden fordert auch deshalb ein Ende von Einwegverpackungen und eine drastische Reduzierung der Kunststoffproduktion. Zu den elf Initiatoren des Aufrufes »Wege aus der Plastikkrise« gehören neben dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), Greenpeace und der Deutschen Umwelthilfe etwa die Deutsche Meeresstiftung, der Bundesverband Meeresmüll, die Heinrich-Böll-Stiftung sowie die Frauenorganisation »Women Engage for a Common Future«.
»Die Zukunft der Verpackungsindustrie gehört dem Mehrweg«, sagte Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser am Mittwoch in Berlin bei der Vorstellung der Forderungen an die Bundesregierung. Ziel müsse sein, die Plastikflut zu stoppen. Kaiser sprach von einer globalen Plastikkrise. Osteuropa und Südostasien seien mittlerweile die Müllkippe für Plastikabfälle nicht nur aus Deutschland. Immer mehr Länder verweigern aktuell die Annahme von Müllexporten. Eine Lösung sei nur möglich, so Kaiser, »wenn alle Länder ihren Müll zu Hause behalten«. Zudem müssten Verpackungen wiederverwendbar oder zumindest recycelbar sein. »Andere gehören verboten«, sagte Kaiser.
Mehr als 400 Millionen Tonnen beträgt die globale Kunststoffproduktion jährlich, heißt es in dem 50-seitigen Forderungskatalog. Schätzungen gehen von einem Anstieg auf 600 Millionen Tonnen bis 2025 aus. Durch unsachgemäße Entsorgung gelangten rund 35 Millionen Tonnen an Kunststoffen in die Umwelt, davon fünf bis 13 Millionen Tonnen in die Weltmeere. Deshalb sprechen sich die Initiatoren für ein Verbot der Abfallentsorgung auf See und von schädlichem Fischereizubehör aus. Ziel müsse sein, den Kunststoffeintrag in die Meere zu begrenzen. Das Bündnis fordert auch eine gesetzliche Schadenshaftung nach dem Verursacherprinzip. Hersteller sollten für Gesundheits-, Umwelt- und Klimaschäden ihrer Produkte verantwortlich sein.
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, forderte, die Mehrwegquote von 70 Prozent für Getränkeverpackungen konsequent durchzusetzen. Dafür sollten Sanktionsmaßnahmen wie eine Abgabe von mindestens 20 Cent auf Einwegverpackungen erwogen werden. Zudem sollte es verbindliche Mehrwegquoten für Verkaufs-, Transport- und Versandverpackungen geben. Resch ist auch für eine Besteuerung von Erdöl sowie Erdgas zur Herstellung von Kunststoffen. Die Verbände fordern, entlang der Lieferketten Einwegprodukte in einem verbindlichen Zeitrahmen durch Mehrwegsysteme zu ersetzen.
Auch Mikroplastikanwendungen sollen verboten werden. Während das Problem von Plastik in Flüssen und Meeren bereits erkannt sei, mangele es an Kenntnissen über die Belastung von Böden und Luft. Dies gelte etwa für Kunstrasenplätze, Textilien oder den Reifenabrieb in der Umwelt oder im Klärschlamm, der anschließend auf Äcker gelange. So könne durch Gewichtsreduzierung bei Kraftfahrzeugen der Reifenabrieb reduziert werden, etwa durch ein SUV-Verbot.
In der Kritik stehen auch sogenannte Bioverpackungen. Zwar könnten fossile zum Teil durch nachwachsende Rohstoffe ersetzt werden, sie böten jedoch in der Regel bei den Umweltfolgen keinen Vorteil und seien »absolut keine Lösung«, so Viola Wohlgemuth von Greenpeace. Die durch den Begriff »bio« suggerierte vermeintliche Umweltfreundlichkeit sei »irreführend« und könne sogar die verschwenderische Nutzung und das vermehrte unkontrollierte Wegwerfen befördern, heißt es in dem Forderungskatalog. Zudem sei der Begriff nicht geschützt. »Wir brauchen einen Systemwechsel«, forderte Wohlgemuth.
Unterstützung für die Forderung kommt von den Grünen. »Die Umweltverbände legen mit ihren Kernforderungen den Finger in die Wunde. Wir brauchen endlich einen nachhaltigeren Umgang mit Plastik«, sagte die Sprecherin für Umweltpolitik Bettina Hoffmann. »Statt immer mehr Einweg brauchen wir ein gesetzlich verankertes Ziel, den Verpackungsmüll bis 2030 zu halbieren.«
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