Neustart mit Makel

Bundesspitzen von FDP und CDU beraten am Freitag über Folgen der Thüringer Ministerpräsidentenwahl

Die Wahl des FDP-Kandidaten Thomas Kemmerich zum Thüringer Ministerpräsidenten durch CDU, FDP und AfD sorgt nicht nur im Bundesland für politische Verwerfungen. Nicht minder durchgewirbelt von den heftig kritisierten Vorgängen im Freistaat wird auch die Bundespolitik - auch nach dem mittlerweile angekündigten Rücktritt und vor wahrscheinlichen Neuwahlen.

So will FDP-Chef Christian Lindner die Vertrauensfrage in der Parteiführung stellen. Dazu solle am Freitag der Bundesvorstand zu einer Sondersitzung zusammenkommen, kündigte Lindner am Donnerstag in Erfurt an. »Nach den heutigen Entscheidungen hier in Erfurt ist es mir möglich, mein Amt als Vorsitzender fortzusetzen. Aber ich möchte mich der Legitimation unseres Führungsgremiums versichern«, so Lindner. Er war am Donnerstag zu Krisengesprächen nach Erfurt gereist. Anschließend hatte Kemmerich angekündigt, sein Amt zur Verfügung zu stellen. Die FDP-Fraktion will einen Antrag auf Auflösung des Landtags stellen, um eine Neuwahl herbeizuführen.

Ebenso wie die Liberalen hat auch die CDU eine Sondersitzung des Präsidiums der Partei einberufen. Die Bundesspitze der Partei sei sich einig, dass Thüringen einen »Neustart« brauche, erklärte Generalsekretär Paul Ziemiak. Dieser Neustart »könne für die CDU nur auf Grundlage der Beschlüsse der CDU Deutschlands erfolgen«. Die CDU-Fraktion in Thüringen hatte gegen die ausdrückliche Empfehlung der Bundesspitze für den auch von der AfD unterstützten Kemmerich gestimmt. Dessen Entschluss, das Amt wieder aufzugeben und Neuwahlen anzustreben, begrüßte Ziemiak. »Jeder Eindruck, dass Nazis wie Höcke und andere in der AfD Einfluss auf Regierungsämter und Regierungshandeln haben könnten, schadet unserem Land«, so Ziemiak.

Auch Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder begrüßten die Pläne: »Das ist eine ganz notwendige Entscheidung, dass der Weg frei gemacht wird für Neuwahlen. Alles andere wäre unangemessen und nicht richtig«, so Söder.

Nach Ansicht von Jan Korte, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion im Bundestag, der Kemmerichs angekündigten Rücktritt und die Neuwahlpläne ebenfalls begrüßt, versucht »Christian Lindner, der bis über beide Ohren in den Thüringer Rechtsputsch verstrickt ist, gerade noch so die politische Reißleine zu ziehen. Der Makel, den demokratischen Konsens in diesem Land gebrochen und die rechtsextreme AfD hoffähig gemacht zu haben, wird indes immer an den Liberalen haften bleiben.« Auch Linksparteichef Bernd Riexinger hält Neuwahlen für »die sauberste Lösung«, wie er im nd-Interview erklärte. Die meisten Wählerinnen und Wähler in Thüringen wollten es »ganz bestimmt nicht, dass eine Fünf-Prozent-Partei, die diese Hürde mit gerade mal 73 Stimmen ›über dem Durst‹ genommen hat, den Ministerpräsidenten stellt«, so Riexinger.

Bis zur Rücktrittsankündigung Kemmerichs am frühen Nachmittag hatte es auf bundespolitischer Ebene überwiegend verheerende Kritik und Forderungen nach einem schnellen Ende der Ministerpräsidentschaft des FDP-Mannes gehagelt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) etwa hatte am Vormittag Kemmerichs Wahl als »unverzeihlich« bezeichnet. Das Ergebnis dieses Vorgangs müsse rückgängig gemacht werden, erklärte Merkel bei einem Besuch in Südafrika.

SPD-Chef Norbert Walter-Borjans warnte sogar vor Folgen für die Große Koalition mit der Union. »Es gibt kein ›Weiter so‹ ohne eine Klärung des Problems«, sagte Walter-Borjans gegenüber RTL/ntv. CDU und FDP dürften nicht die »Steigbügelhalter für den Faschismus« sein. Mit Agenturen

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.