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  • Digitalisierung

Akuter Handlungsbedarf

  • Kim Schröther
  • Lesedauer: 3 Min.

Während die großen Metropolenregionen in der Bundesrepublik boomen, darbt der ländliche Raum und der Osten. Urteile wie diese sind populär – über die Ursachen und die Frage, wie man regionalpolitisch gegensteuern kann, bleibt zu streiten.

Nicht lange her, da zeigte eine Studie des unternehmensnahen Instituts der deutschen Wirtschaft in Kooperation mit vier Hochschulen: »19 von insgesamt 96 deutschen Regionen haben Probleme. Längst nicht alle liegen in Ostdeutschland oder auf dem platten Land.« Bei der Untersuchung ging es vor allem um die Bereiche Wirtschaft, Demografie und Infrastruktur. »Akuten Handlungsbedarf für die Politik, damit die Gebiete nicht den Anschluss verlieren«, sah die Studie vor allem in elf Regionen in den neuen Bundesländern, vier Regionen in Nordrhein-Westfalen entlang der Ruhr sowie in Bremerhaven, dem Saarland, Schleswig-Holstein-Ost und in der Westpfalz.

Die Gründe für diese Probleme sind vielfältig und vor allem sind sie nicht überall gleich. Der Ökonom Jens Südekum etwa hat sich viel mit den regionalen Effekten von Automatisierung auf Beschäftigung befasst, und immer wieder auf Folgen verwiesen, die jenseits lauter Schlagzeilen à la »Die Roboter nehmen uns die Arbeit weg« liegen.

So begünstigen die unter »Digitalisierung« zusammengefassten Veränderungen »Jobs in Dienstleistungsberufen, die sowohl ihre Kunden als auch ihre Arbeitskräfte hauptsächlich in den Städten finden. Im Gegenzug fallen manuelle, klassische Industrietätigkeiten weg. Menschen werden also weiterhin in die Städte ziehen; auf dem Land fehlen dann noch mehr Fachkräfte und die demografischen Probleme dort verstärken sich«.

Ein zweiter Punkt: »Roboter führen zu höherer Produktivität, aber nicht zu höheren Durchschnittslöhnen für die Beschäftigten. Negative Auswirkungen konzentrieren sich wiederum in der Mitte der Verteilung.«

Unlängst zeigte zudem eine Studie der Bertelsmann-Stiftung und der OECD, wie heute Innovationen weiterhin regional hoch konzentriert sind. »Es sind wenige große Städte und deren unmittelbare Umgebung, die das Feld anführen«, so haben Marcus Wortmann, Caroline Paunov und Lukas Nüse die Ergebnisse zusammengefasst. Dort sitzen die großen Firmen, die wichtigen Forschungseinrichtungen. »Kleinere Städte, ländliche Regionen sowie die Mehrzahl der Unternehmen bleiben abgeschlagen. Die Digitalisierung scheint diesen Umstand noch zu verstärken.«

Allein diese drei Wirkungen berücksichtigt, steht jede Regionalpolitik vor komplexen Herausforderungen. Es geht um den Erhalt von Infrastruktur, um Arbeitsplatzperspektiven, um die Finanzierung öffentlicher Daseinsvorsorge und vieles mehr. Südekum, der Professor in Düsseldorf ist, plädiert hier für einen nüchternen Blick: »Man darf sich nichts vormachen. Regionalpolitik ist keine gesamtwirtschaftliche Wachstumspolitik. So mancher Euro Fördergeld wäre in den wirtschaftlichen Zentren sicherlich produktiver angelegt.«

Doch nur um Produktivität kann es nicht gehen. »Regionalpolitik ist eine räumliche Spielart der Umverteilung, die zur Kenntnis nimmt, dass die Verlierer der Globalisierung und des technologischen Wandels räumlich stark konzentriert und weitgehend immobil sind«, so Südekum. Was staatliche Förderpolitik dazu beitragen kann, die negativen sozialen, ökonomischen und gesellschaftlichen Effekte zu dämpfen, besser noch: neue und nachhaltige Entwicklungen dort anzustoßen, wo sich schon länger alles nur zum Schlechteren zu wenden scheint, muss nicht nur offen diskutiert werden, ist nicht nur eine Frage der politischen Ziele, sondern auch eine des genauen Hinsehens.

»Richtig ist, dass innerhalb der Regionalpolitik einige Programme besser funktionieren als andere«, so Südekum. »Welche Instrumente am effektivsten sind, kann letztlich nur durch seriöse Evaluationen herausgefunden werden.«
Michael Hüther, Jens Südekum, Michael Voigtländer (Hrsg.) Die Zukunft der Regionen in Deutschland. Zwischen Vielfalt und Gleichwertigkeit Köln 2019.

Paunov, C., et al. (2019) On the concentration of innovation in top cities in the digital age OECD Science, Technology and Industry Policy Papers, No. 85, OECD Publishing, Paris 2019.

Jens Südekum, Wolfgang Dauth, Sebastian Findeisen (2016) Verlierer(-regionen) der Globalisierung in Deutschland: Wer? Warum? Was tun? DICE Ordnungspolitische Perspektiven, Düsseldorf 2016.

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