Schnell und gut im Notfall versorgen

Zur Reform der Notfallversorgung

  • Lesedauer: 3 Min.

Die Bürger müssen sich im Notfall darauf verlassen können, dass sie schnell und gut versorgt werden. Deshalb sollen die Notfallambulanzen der Krankenhäuser, die Notärzte und die Bereitschaftsdienste der Ärzte besser verzahnt und unnötige Warteschlangen im Krankenhaus vermieden werden.

Warum ist eine solche Reform überhaupt nötig?

Weil vor allem an Wochenenden die Notaufnahmen regelmäßig auch mit Patienten voll sind, die oft nur Bagatellfälle sind. Hinzu kommt eine zunehmende Inanspruchnahme der Rettungsdienste bei Beschwerden, die alles andere als lebensbedrohlich sind und die besser von Haus- und Fachärzten versorgt werden können.

Inwieweit ist das tatsächlich ein Problem?

Wie eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Krankenkasse KKH belegt, blockieren Patienten mit Bagatellerkrankungen in der Tat die Abläufe in den Notaufnahmen. Der Erhebung zufolge würde mehr als jeder Dritte der rund 1000 Teilnehmer der Umfrage das Krankenhaus trotz geöffneter Arztpraxen ansteuern - auch bei nicht lebensbedrohlichen Beschwerden. Von den Befragten, die in den vergangenen fünf Jahren mindestens einmal in der Notaufnahme waren, ging fast jeder Dritte innerhalb der Öffnungszeiten von Arztpraxen ins Krankenhaus, und zwar auf eigene Initiative, ohne Überweisung oder Rettungseinsatz.

Was ist der Kern der geplanten Reform?

Ziel sind gemeinsame Notfall-Leitsysteme (GNL) von Ländern und Kassenärzten. Sie sollen hilfesuchende Patienten und deren Behandlung besser steuern. Dazu ist vorgesehen, dass in sogenannten Integrierten Notfallzentren (INZ) an ausgewählten Krankenhäusern entschieden wird, ob und wo die Patienten versorgt werden. Es geht also um eine Lotsenfunktion für alle Hilfesuchende in Notfällen.

Was ist die Aufgabe der neuen Leitsysteme?

Sie bestehen in der verbindlichen Zusammenarbeit der Träger der Rettungsleitstellen der Rufnummer 112 und der Kassenärztlichen Vereinigungen mit der Rufnummer 116 117. Kernelement für die operative Arbeit soll eine Vereinbarung über ein verbindliches Ersteinschätzungsverfahren sein, auf das eine Entscheidung über die weitere Behandlung der Patienten folgt.

Wie soll das erreicht werden?

Die ambulanten, stationären und rettungsdienstlichen Strukturen sollen zu einem integrierten System der medizinischen Notfallversorgung weiterentwickelt werden. Dazu ist eine verbindliche Kooperation und digitale Vernetzung aller an der Versorgung Beteiligten nötig. Geregelt werden soll das vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), der eine bundesweit geltende Richtlinie über die medizinische Notfallrettung und integrierte Notfallzentren beschließen muss.

Wo erfolgt künftig die Akutversorgung?

In den Integrierten Notfallzentren (INZ), die rund um die Uhr erreichbare Anlaufstellen an ausgewählten Krankenhäusern sein sollen. Sie gewährleisten die notdienstliche Versorgung. INZ sollen die Notaufnahmen der Kliniken um all jene Fälle entlasten, die besser ambulant versorgt werden können.

Wie sieht der Zeitplan der Reform aus?

Das Gesetz soll bis Ende 2020 verabschiedet werden. Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt die Details. Im Bundesrat ist das Gesetz nicht zustimmungsbedürftig.

Wer soll künftig die Notfallrettung bezahlen?

Alle Hilfen am Notfallort und die Rettungsfahrten, die heute durch die Träger der Rettungsdienste nach den Landesrettungsdienstgesetzen erbracht werden, sollen jeweils eigenständige Leistungen der Krankenversicherung werden.

Wie bewerten die Krankenhäuser und Ärzte die Pläne?

Einer der Kritikpunkte: Für die Patienten würden die Anlaufstellen im Notfall stark begrenzt. Georg Baum, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft, rügt, dass ambulante Notfallleistungen nur noch in den INZ an ausgewählten Krankenhäusern erbracht werden dürfen. Bei der Entscheidung, welche Kliniken das sind, hätten die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen die Mehrheit. Damit könnten sie über die Zukunft der Krankenhausstrukturen maßgeblich entscheiden. Das stehe im Widerspruch zur verfassungsrechtlichen Zuordnung der Zuständigkeit für die Krankenhausplanung auf die Länder. Ärzte kritisieren, dass es falsch sei, Krankenhäuser in Zukunft für Leistungen in ihren Notfallambulanzen zu bestrafen, wenn sie kein INZ-Standort sind. Kein Krankenhaus kann einen Patienten abweisen, der als Notfall in die Notaufnahme kommt. epd/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -