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Klimakompensation als Verkaufsslogan
Anke Herold hält es für vordringlich, die CO2 -Emissionen hier zu senken, statt diese anderswo auszugleichen
Klimaneutralität ist der neue Verkaufsslogan für eine ganze Reihe klimaschädlicher Produkte: Man kann klimaneutrales Heizöl und Diesel tanken - wer braucht da noch den Ausstieg aus den fossilen Energien? Auch Einweg-Kaffeebecher und Plastik-Kaffeekapseln gibt es in klimaneutraler Variante, warum soll man also noch Müll vermeiden? Und auch der Billigflieger Easyjet verspricht, die CO2-Emissionen aller Flüge auszugleichen.
Uns soll weisgemacht werden, dass wir unser Konsum- und Mobilitätsverhalten oder unsere Art der Energieerzeugung nicht ändern müssen, stattdessen soll die Magie der Kompensation von Treibhausgasemissionen wirken. Bäume pflanzen oder Solaranlagen in Entwicklungsländern installieren - schon können wir wieder mit gutem Gewissen konsumieren wie bisher, weil die Emissionen ja ausgeglichen werden. Nur seltsam, dass es trotz der vielen klimaneutralen Unternehmen und Produkte immer noch eine Klimakrise gibt.
Für die Unternehmen halten sich die Kosten für diesen Ausgleich in Grenzen. Das zeigt gerade das Beispiel Easyjet. Die Airline rechnet mit etwa 30 Millionen Euro für den Kauf von Kompensationszertifikaten im laufenden Jahr. Zum Vergleich: Kerosin wird anders als Benzin und Diesel in der EU nicht besteuert. Eine Besteuerung könnte sich auf etwa eine Milliarde Euro belaufen. Wenn mit der freiwilligen Kompensation das wirksamere Instrument einer Kerosinsteuer verhindert werden kann, ist das aus Sicht der Fluglinie eine lohnende Investition.
Das Grundprinzip hinter der Kompensation für Klimaneutralität ist die Tatsache, dass es für das Klima unbedeutend ist, wo Treibhausgasemissionen verursacht, verhindert oder reduziert werden. Emissionen an einer Stelle können durch Minderungen an anderen Orten ausgeglichen werden, wenn diese dort kostengünstiger oder einfacher zu erreichen sind.
Um eine echte Klimawirkung zu erreichen, müssen die Kompensationsprojekte zusätzlich sein, und sie dürfen nicht ohnehin umgesetzt werden. In der Praxis ist es sehr schwierig, diese Zusätzlichkeit nachzuweisen. Bei Wind- und Solarprojekten sind die Kosten international stark gesunken, und der Ausbau erneuerbarer Energien wird inzwischen auch in vielen Entwicklungsländern gefördert. Deshalb sind viele Projekte auch ohne die Kompensationszertifikate wirtschaftlich oder sogar als Regierungspolitik vorgeschrieben.
Es kann auch leicht zu Doppelzählungen kommen. Viele Regierungen weltweit haben sich im Rahmen des Pariser Klimaabkommens zum Ausbau erneuerbaren Energien oder zu Aufforstungen verpflichtet und zählen die gesamte Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien oder alle Aufforstungen im Land als Teil ihrer nationalen Minderungsleistung. Wenn die Minderungen aber zusätzlich an private Akteure zur Kompensation in andere Länder verkauft werden, ergeben sich Doppelzählungen. Es gibt derzeit keine effektive Kontrolle über alle Anbieter und Länder hinweg, die das verhindert.
Bei Waldprojekten kann es sein, dass sich die Regierungspolitik wie in Brasilien ändert, und die Kompensationswälder dann einige Jahre später doch gerodet werden. Wenn Waldprojekte eine Region schützen, kann sich die Entwaldung auch einfach auf andere Flächen verlagern, wenn die Projekte nicht in eine generelle Schutzstrategie der Regierungen eingebunden sind.
Die Verlagerung der Minderung in andere Länder kann auch dazu führen, dass nicht in neue Technologien, erneuerbare Energien und Innovationen bei uns investiert wird, die die Emissionen tatsächlich langfristig senken.
Es gibt strenge Standards für Kompensationsprojekte wie den Goldstandard. Aber diese qualitativ hochwertigen Emissionsreduktionen sind begrenzt: Alle 1700 Goldstandard-Projekte aus den vergangenen Jahren haben Emissionen reduziert, die ungefähr den Flugverkehrsemissionen nur eines Jahres entsprechen.
Es ist also wichtig, dass zuerst CO2-Emissionen so weit wie möglich reduziert werden. Nur der dann noch verbleibende Ausstoß sollte durch Zertifikate mit hohen Standards kompensiert werden. Ein immer weiter steigender Konsum an klimaschädlichen Produkten und Dienstleitungen kann durch Kompensationsprojekte sicher nicht ausgeglichen werden. Wir brauchen Verhaltensänderungen und echte emissionsfreie Produkte zur Lösung der Klimakrise.
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