Im Takt geblieben

Friedrich Merz hat 1997 gegen das Gesetz zur Bestrafung von Vergewaltigung in der Ehe gestimmt / Heute will er sich mit einem Burkaverbot für die Rechte von Frauen einsetzen

  • Vanessa Fischer
  • Lesedauer: 2 Min.

»Sind Sie dafür, dass Vergewaltigung in der Ehe in das Strafgesetzbuch kommt?«, fragte Petra Kelly (Grüne) einst. »Nein!«, rief ihr Detlef Kleinert (FDP) mit solch einer Vehemenz entgegen, dass man als Frau die Ehe am liebsten gleich ganz abschaffen will, zumindest aber die Erwägung, selbst einmal zu heiraten über den Haufen wirft und um keinen, aber auch wirklich keinen Preis die Ehefrau jenes Herrn Kleinert werden will.

In lautes Gelächter brachen dahingegen ein paar Dutzend weitere Herren im Saal aus, während sie vergnüglich grölend auf die Tische hauten und, um auch ihrem »Nein!« Nachdruck zu verleihen, heftig in die Hände klatschten. Dass sich dies tatsächlich genau so zugetragen hat, und zwar nicht in irgendeinem unbedeutenden Stammtischlokal eines noch unbedeutenderen bayerischen Kuhdorfs, sondern 1983 so im deutschen Bundestag geschah, macht die Sache nicht besser. Die Frage der Grünen-Politikerin schien damals für viele Unions- und FDP-Herren nicht mehr zu sein als ein Schenkelklopfer. Ein, per Definition, »einfacher, platter, aber wirkungsvoller Witz, oft auch ironisch gebraucht«.

Erst am 15. Mai 1997 wurde das Gesetz zur Bestrafung von Vergewaltigung in der Ehe beschlossen. 138 Abgeordnete stimmten dagegen – darunter auch Friedrich Merz, der nun CDU-Vorsitzender und Kanzlerkandidat werden will.

Heute inszeniert sich der Anti-Selbstbestimmungspolitiker als vermeintlicher Feminist: Im Kielwasser der Diskursverschiebung durch die AfD fordert er ein Burkaverbot – denn das Kleidungsstück, so Merz, sei »ein Zeichen der absoluten Missachtung fundamentaler Rechte von Frauen«. Rassismus im Feminismuspelz. In Wahrheit ist Merz niemals aus dem Takt des dröhnend-misogynen Schenkelklopfens von 1983 gekommen: Bei einer Veranstaltung im Ballhaus Berlin »witzelte« er kürzlich, dass Tiefs im Moment Frauennamen hätten, wäre reiner Zufall – und spielte damit auf das Sturmtief »Sabine« an, das mit Kramp-Karrenbauers Rücktritt zusammenfiel. Die Männer im Saal applaudierten lachend. Die Zeit der Herrenwitze sei vorbei, dachten wir. Wir haben uns wohl geirrt.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.