- Sport
- Rassismus im Fußball
Rassismus wird normal
Ein Wissenschaftler meint, Profifußballer müssten Beleidigungen einfach ertragen. Herthas Jordan Torunarigha wehrt sich dagegen
Fußballprofi Jordan Torunarigha von Hertha BSC wehrt sich energisch gegen die Verharmlosung von Rassismus. »Hab selten so was Dummes gelesen!«, schrieb der 22-Jährige vom Berliner Bundesligisten am Dienstag bei Twitter und verlinkte einen Text der Online-Plattform »novo-argumente.com«. In dem Artikel des Berliner Wissenschaftlers Stefan Chatrath heißt es unter anderem: »Fußballer, die professionell spielen, müssen Beleidigungen aushalten, das gehört dazu.« Auch seinen Verein Hertha BSC machte nicht nur diese These bei Twitter wenig später sprachlos: »Ohne Worte ...«
Konkret beschrieb Chatrath, der auch stellvertretender Vorsitzender der Wissenschaftlichen Kommission des Landessportbundes (LSB) Berlin ist, in dem Text unter der Überschrift »Die Leiden des jungen Torunarigha« auch die Vorfälle um den früheren deutschen Junioren-Nationalspieler zuletzt beim Bundesligaspiel bei Schalke 04. Dort war der gebürtige Chemnitzer nach eigenen Aussagen rassistisch beleidigt worden.
Chatrath schrieb, er könne es zwar nicht schönreden, wenn im Stadion jemand Affengeräusche nachahmt, um schwarze Spieler zu beschimpfen. »Das ist rassistisch, keine Frage.« Dennoch fügte er hinzu. »Das mag wehtun, aber die Vorfälle ereigneten sich in einem Fußballstadion, wo es dazugehört, dass der Gegner mit Spott und Häme überzogen wird.«
Die Zeilen haben für den Autor, der für eine Stellungnahme nicht zu erreichen war, nun ernsthafte Folgen. »Wir haben Herrn Chatrath mit sofortiger Wirkung von allen Lehrtätigkeiten entbunden«, sagte Professor Wolfgang Merkle von der University of Applied Sciences Europe am Dienstagabend der Deutschen Presse-Agentur.
Dort hatte Chatrath als Studiengangsleiter für Sport- und Eventmanagement gearbeitet. »Wir sind selbst ein international ausgerichtetes Unternehmen und stehen für Pluralität und Diversität«, so Merkle. Die Aussagen seien nicht zu tolerieren und die Hochschule distanziere sich klar davon. Auch der Landessportbund Berlin will über Konsequenzen beraten. Wie der LSB am Mittwoch mitteilte, werde das Präsidium »in seiner Sitzung über den Verbleib von Herrn Chatrath in der Wissenschaftlichen Kommission entscheiden«.
LSB-Präsident Thomas Härtel distanzierte sich klar von Rassismus: Die Äußerungen Chatraths seien unvereinbar mit dem Leitbild des Landessportbunds. Dieses würde sich gegen »jegliche Form von Diskriminierung, Extremismus, Gewalt und Missbrauch« richten und »Sport als eine Einladung an alle« verstehen.
Chatraths Verhalten passt nicht dazu. Er schrieb von einer »emotionalen Überreaktion von Jordan Torunarigha«, der beim Spiel Ende Januar in Gelsenkirchen kurz nach den Schmähungen wegen eines Ausrasters des Feldes verwiesen worden war. Weiter heißt es: Torunarigha sei »der einzige, der die Beleidigungen gehört« habe. »Wäre es nicht möglich, dass Jordan Torunarigha sich verhört hat?« Für Chatrath sei grundsätzlich im Sport »alles erlaubt, solange der gegnerische Spieler physisch nicht so stark geschädigt wird, dass er ausgewechselt werden muss«.
Chatrath fiel in der Vergangenheit schon durch seine ganz eigene Sicht auf die Dinge auf. So regte er auch an, Doping grundsätzlich für alle Sportler zu erlauben. Athleten »dürfen ihren eigenen Körper schädigen, das kann ihnen niemand verbieten, solange wir davon ausgehen können, dass sie eigenverantwortlich handeln«, argumentierte der Wissenschaftler. dpa/nd
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.