Verschärfte Anti-Corona-Maßnahmen in Deutschland und weltweit

Tourismusmesse ITB abgesagt / Laut WHO mittlerweile rund 50 Länder betroffen

  • Lesedauer: 4 Min.

Berlin/Seoul. Angesichts der stetigen Ausbreitung des neuartigen Coronavirus verschärfen die Behörden weltweit ihre Maßnahmen. In Berlin wurde die Internationale Tourismusmesse ITB abgesagt, die Bundesregierung weitete die Vorschriften für den Flug, Schiffs- und Bahnverkehr aus. Die USA sagten ihrerseits den Asean-Gipfel in Las Vegas ab und raten ihren Bürgern nunmehr von Italien-Reisen ab. Südkorea meldete am Samstag die höchste Zahl an Neuinfektionen innerhalb eines Tages.

Lesen Sie auch: Volksgesundheitspopulismus. Die berechtigte Sorge um den Coronavirus lässt heute die Aufregung schon wieder vergessen, die vergangenes Jahr einige Hundert Masernfälle in Deutschland nach sich zogen.

Die weltweite Bedrohung durch das neuartige Virus ist nach Angaben des Chefs der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, nun »sehr hoch«. Sie sei damit auf die höchste Stufe angehoben worden, sagte er in Genf. »Der anhaltende Anstieg der Fälle und der Zahl der betroffenen Länder in den vergangenen Tagen sind eindeutig besorgniserregend.«

Laut WHO sind mittlerweile rund 50 Länder betroffen, darunter Deutschland. Am Freitagabend und in der Nacht zum Samstag wurden unter anderem aus Hessen und aus Baden-Württemberg neue Infektionsfälle gemeldet. Im besonders betroffenen Landkreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen erhöhte sich die Zahl der Infizierten nach Behördenangaben um zwei weitere Fälle auf 37. In dem Landkreis befinden sich rund tausend Menschen unter Quarantäne.

Laut Beschluss des neu eingesetzten Krisenstabes der Bundesregierung muss ab sofort auch bei allen Flug- und Schiffspassagieren aus Südkorea, Japan, Italien und dem Iran vor der Einreise der Gesundheitsstatus gemeldet werden muss. Diese Regel galt bisher nur für China.

Seehofer: Kein schnelles Abebben der Welle - Impfstoff bis Jahreswechsel?

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) geht nicht von einem schnellen Abebben der Welle von Coronavirus-Fällen aus, die am Wochenende nahezu die gesamte Westhälfte Deutschlands erfasst hat. »Ich rechne damit, dass wir zum Jahreswechsel einen entsprechenden Impfstoff zur Verfügung haben«, sagte Seehofer der »Bild am Sonntag«. Bis dahin müsse das Virus mit den klassischen Mitteln des Seuchenschutzes bekämpft werden.

»Wir müssen die Infektionsketten konsequent unterbrechen«, sagte Seehofer. Auch die Absperrung von Regionen oder Städten schloss der Innenminister nicht aus. »Dieses Szenario wäre das letzte Mittel.«

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) betonte im Deutschlandfunk, die Frage nach der Sterblichkeitsrate bei Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus sei derzeit noch nicht abschließend zu beantworten. »Und das ist natürlich eine sehr, sehr wichtige Frage, auch für den Umgang mit einem solchen Virus.« Aus dieser Unsicherheit resultierten auch die großen Vorsichtsmaßnahmen.

In allen Zügen im Regional- und Grenzverkehr in Deutschland müssen Passagiere zudem künftig Aussteigekarten ausfüllen, wenn Coronavirus-Verdachtsfälle festgestellt wurden. Die Bahnunternehmen sind zudem verpflichtet, Passagiere mit Symptomen einer Coronavirus-Infektion zu melden. Zudem wird die Bundespolizei ihre Kontrollen im 30-Kilometer-Grenzraum verstärken.

Zur ITB teilte der Veranstalter Messe Berlin mit, das zuständige Gesundheitsamt habe die Auflagen verschärft, diese könnten aber nicht umgesetzt werden. Unter anderem hätte jeder Messeteilnehmer belegen müssen, dass er nicht aus einem Risikogebiet stammt oder Kontakte zu Menschen von dort hatte. Die diesjährige ITB sollte vom 4. bis 8. März stattfinden. Sie hätte nach Messeangaben mehr als 10.000 Aussteller aus über 180 Ländern vereint.

Auch die USA griffen zu drastischen Maßnahmen: So verschob das Weiße Haus nach Angaben eines Regierungsvertreters den Asean-Gipfel auf unbestimmte Zeit. Das Treffen der Staats- und Regierungschefs des Verbandes Südostasiatischer Nationen (Asean) mit Präsident Donald Trump als Gastgeber hätte am 14. März in Las Vegas stattfinden sollen.

Zudem raten die USA nun ihren Staatsbürgern von allen nicht dringend notwendigen Reisen nach Italien ab. Die US-Gesundheitsbehörde CDC begründete dies damit, dass es in den vom Virus betroffenen Gebieten Italiens »nur eingeschränkten Zugang zu angemessener medizinischer Versorgung« gebe.

Für besondere Beunruhigung sorgte in den USA, dass am Freitag bereits der dritte Infektionsfall gemeldet wurde, bei dem die Infektionskette rätselhaft ist. Die Gesundheitsbehörden in Oregon teilten mit, dass es sich um einen Erwachsenen handele, der nicht gereist sei und offenbar nicht mit anderen Infizierten in Kontakt war. Zwei ähnliche Fälle waren zuvor schon aus Kalifornien gemeldet worden. Insgesamt sind in den USA mehr als 60 Menschen infiziert.

Einen besorgniserregenden Sprung machte die Infizierten-Zahl in Südkorea. Die Gesundheitsbehörden registrierten innerhalb eines Tages 594 neue Fälle. Dies ist der höchste Anstieg seit Beginn der Krise. Insgesamt sind in Südkorea damit fast 3000 Infektionsfälle bestätigt. Die Zahl der Todesopfer stieg um drei auf 16.

In China starben weitere 47 Menschen an der neuartigen Lungenkrankheit, damit gibt es in der Volksrepublik nun schon 2835 Todesfälle. Allerdings ist die Zahl der Neuinfektionen seit einigen Tagen relativ gering, sie liegt deutlich unter den Tausender-Zahlen der vergangenen Wochen. AFP/nd

Lesen Sie auch: Angst erzeugen und bewältigen. Die Netzwoche über die Angst vor Corona in den sozialen Netzwerken.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.