Friss oder klag selber

Vergleich von VW und Verbraucherzentralen im Dieselskandal umfasst 850 Millionen Euro

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Streit über die Entschädigung von betrogenen VW-Dieselbesitzern haben sich der Konzern und der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) doch auf einen außergerichtlichen Vergleich geeinigt. Das Oberlandesgericht Braunschweig, das für die Musterfeststellungsklage zuständig ist, teilte am Freitag mit, dass eine umfassende Vereinbarung geschlossen wurde.

Die klagenden VW-Dieselautobesitzer sollen demnach je nach Modell und Alter ihres Fahrzeugs Entschädigungen zwischen 1350 und 6257 Euro erhalten. Das entspreche im Durchschnitt rund 15 Prozent des ursprünglichen Kaufpreises, teilte der vzbv mit. Insgesamt sollen rund 260 000 Geschädigte ein entsprechendes individuelles Angebot erhalten. Sie müssen sich bis zum 20. April entscheiden, ob sie sich damit zufriedengeben oder in Einzelklagen weiter für mehr Geld streiten.

Das Gesamtvolumen der Entschädigungen wird auf 830 Millionen Euro beziffert. Das entspricht der Summe, die bereits bei ersten Vergleichsverhandlungen im Raum stand. Damals scheiterte die Einigung an unterschiedlichen Positionen zu den Regularien sowie Abwicklung der Auszahlungen und der Höhe der Anwaltshonorare. Dieses Problem wurde jetzt ausgeräumt. Volkswagen trägt nach Angaben des Gerichts vollständig die Kosten für die Abwicklung des Vergleichs und die Rechtsberatung der betroffenen Dieselfahrer. Unabhängige Wirtschaftsprüfer sollen die Umsetzung stichprobenartig prüfen, für Streitfragen wird eine Ombudsstelle eingerichtet. Beide Parteien lobten am Freitag die Verhandlungsführung durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts, Wolf-gang Scheibel.

Vzbv-Vorstand Klaus Müller erklärte, dass man in dem Verfahren eigentlich »für mehr gestritten« habe. Aber das Ergebnis sei mit Blick auf die bei Individualklagen von Dieselbesitzern bislang erreichten Entschädigungssummen wohl »das maximal Erreichbare«, so Müller.

Der Skandal um manipulierte Abgaswerte bei VW-Dieselautos war Ende September 2015 publik geworden. Ausgeschlossen von den Entschädigungen sind Dieselbesitzer, die ihr Auto nach dem 31. Dezember 2015 gekauft haben. Auch Kläger, die ihren Wohnsitz im Ausland haben, gehen leer aus.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die an der Musterfeststellungsklage nicht beteiligt war, kritisierte auf nd-Anfrage den Vergleich und rät betrogenen Dieselkunden, keinesfalls ein Angebot anzunehmen, das weitergehende Ansprüche dauerhaft ausschließt. Die Geschädigten würden damit »erneut über den Tisch gezogen«. Eine DUH-Sprecherin verwies auf ein laufendes Verfahren beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Zulässigkeit von Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung. Mitte März sei hier die Stellungnahme des Generalanwalts zu erwarten. Sollte der EuGH zu dem Ergebnis kommen, dass deren Einbau von vornherein illegal war, könnte der Konzern zu umfangreichen Hardware-Nachrüstungen der manipulierten Dieselautos verpflichtet werden, oder es drohe die Stilllegung der betroffenen Fahrzeuge. Wer jetzt den Vergleich akzeptiere, könne dann keine Ansprüche mehr geltend machen, befürchtet die DUH.

Der vzbv bestreitet dies allerdings. Bei dem Prozess und in dem Vergleich gehe es nur um die Frage des entstandenen Wertverlusts. »Wer den Vergleich annimmt, muss deshalb nicht auf Ansprüche bei einem Entzug der Betriebserlaubnis oder angebotenen Hardwarenachrüstungen verzichten«, so vzbv-Sprecherin Fran-ka Kühn zu »Spiegel Online«.

Indes sind beim Bundesgerichtshof (BGH) mehr als 30 Verfahren anhängig, bei denen es auf der Grundlage individueller Klagen von Autobesitzern um die Frage von Schadensersatzansprüchen geht. Im Mai wird der erste Fall verhandelt. Vzbv-Chef Müller räumt ein, dass die Annahme des Vergleichs vor allem für diejenigen sinnvoll sei, »die weniger Risiko eingehen möchten«.

Dass der Vergleich für VW günstig ausfällt, zeigen die Reaktionen aus Niedersachsen, wo der Konzern seinen Sitz hat. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU), die beide im VW-Aufsichtsrat sitzen, äußerten sich erleichtert. »Für den Rechtsfrieden ist eine gütliche Einigung stets besser als ein streitiges Urteil«, sagte Weil.

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