Illegale Müllberge verschandeln die Landschaft

Baufirmen kippen asbestbelastete Dachpappe und Schutt an Wald- und Feldwegen ab, um die Kosten für die Entsorgung zu sparen

  • Jeanette Bederke
  • Lesedauer: 4 Min.

In einem Waldstück bei Groß Schönebeck liegen mehr als ein Dutzend riesiger weißer Müllsäcke. Die Behältnisse mit einem Fassungsvermögen von jeweils 1300 Kilogramm sind mit Dachpappe und weiterem Bauschutt befüllt. »Das Zeug ist erfahrungsgemäß asbestbelastet und in der Entsorgung teuer. Eine Tonne kostet 900 Euro«, erklärt Mark Büttner, Leiter des Bodenschutzamtes im Landkreis Barnim, warum Unbekannte sich des Mülls in großem Stil illegal entledigten.

Der Fund ist kein Einzelfall. Seit Jahren leidet der Barnim unter illegaler Müllentsorgung. Ganze Lkw-Ladungen an Bauschutt oder auch aus Haushaltsauflösungen werden heimlich im Schutze der Dunkelheit in die Natur gekippt, meist im Berliner Speckgürtel. Allein im vergangenen Jahr waren es 619 Tonnen Müll. »Die Verursacher machen sich oft gar nicht die Mühe, an versteckt liegende Orte zu fahren, sondern schütten das Zeug auch nahe Wohnsiedlungen oder einfach auf Feldern ab«, berichtet Büttner. Meist seien es Spaziergänger, Jäger oder Forstmitarbeiter, die den illegalen Müll entdecken. Inzwischen gebe es auch eine App, mit der die Müllberge mit Fotos und GPS-Koordinaten gemeldet werden können.

Das Problem ist auch in anderen Landkreisen bekannt. »Es wird von Jahr zu Jahr schlimmer«, sagt Mario Behnke, Sprecher der Kreisverwaltung Oder-Spree. Allein 2019 habe das Kommunale Wirtschaftsunternehmen Entsorgung (KWU) 259 Tonnen »herrenloser« Abfälle beräumt, die Mehrheit davon Dämmstoffe, asbesthaltiger Bauschutt sowie Teer- und Bitumenreste.

85 Tonnen illegaler Müll kamen im vergangenen Jahr im Landkreis Märkisch-Oderland zusammen, Tendenz ebenfalls steigend. »Schwerpunkte waren nicht nur die berlinnahen Regionen, sondern auch Feldwege, die von der Bundesstraße 1 abzweigen. Wir vermuten als Verursacher Baufirmen in Berlin«, sagt Kreissprecher Thomas Behrendt.

Die Kreisverwaltung Barnim will den Verursachern auf die Schliche kommen. Dazu ist seit Ende 2017 eine Müllstreife unterwegs, für die mit der Eberswalder Wachschutzfirma von Thomas Platz zusammengearbeitet wird. »Wir sind jede Nacht unterwegs, einerseits präventiv, um abzuschrecken, andererseits, um Täter auf frischer Tat zu ertappen«, sagt er. Der Erfolg sei bisher gering. »Erwischt haben wir die kleinen Fische, die Grünzeug, Sperrmüll oder Papier in die Gegend kippen«, sagt Platz.

Was die Bauschuttsünder betrifft, so wisse er inzwischen zumindest, wer dahinterstecke. »Wir haben auch Baustellen observiert. Da sind irische Wanderarbeiter am Werk, die wiederum Osteuropäer beschäftigen.« Sie haben keinen Firmensitz, reisen in Wohnmobilen von Ort zu Ort, bieten in Haustürgeschäften Dachreparaturen an oder wollen Grundstückseinfahrten neu pflastern.

Was dabei an Müll anfällt, werde illegal entsorgt, bevorzugt im Großraum Bernau. Dass mit den reisenden Handwerkern nicht zu spaßen ist, hat Platz selbst erleben müssen. »Ich verfolgte einen Transporter mit Bauschutt, als plötzlich zwei Pickups auftauchten und mich von der Straße drängten«, erzählt er. Polizei und Zoll seien informiert.

Das Bodenschutzamt stelle Strafanzeigen, ergänzt Büttner. Doch oft würden die Verfahren nach einiger Zeit von der Staatsanwaltschaft eingestellt. »Dann geht die Sache an uns zurück und wir haben zumindest Bußgelder erhoben, teilweise in vierstelliger Höhe«, sagt der Amtsleiter. Allein 42 Ordnungswidrigkeitsverfahren seien im vergangenen Jahr eingeleitet worden. Wichtig sei, die illegalen Müllberge so schnell wie möglich zu räumen. »Sonst wird ganz schnell eine richtige Müllkippe daraus, frei nach dem Motto: Wo schon was liegt, kann ich meinen Dreck auch hinschütten.« Da die illegale Abfallbeseitigung ganz Brandenburg betreffe, sei das Land in der Pflicht, Kommunen und Kreise zu unterstützen, findet Büttner. Umweltministeriumssprecherin Frauke Zelt erklärt, dass aus allen Ecken Brandenburgs eine Zunahme illegal abgelagerter Abfälle gemeldet werde. Die Mengen und die insgesamt verursachten Entsorgungskosten würden vom Land allerdings nicht statistisch erfasst.

»Tatsächlich hat das Thema jahrelang niemanden in Potsdam interessiert, Daten wurden so auch nicht erfasst«, sagt Grünen-Landtagsfraktionschef Benjamin Raschke. Dabei seien die Probleme immens. »Ein erster Schritt wäre, dass sich Vertreter der Landkreise und des Landes mal an einen Tisch setzen, statt sich den Schwarzen Peter gegenseitig zuzuschieben«, meint Raschke. Die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, sei für Müllsünder gering. Die Kontrollen müssten deshalb verstärkt werden. dpa

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