Das Nadelöhr zum Teslawerk

Der Kleinstadt Erkner droht der Verkehrsinfarkt und ein Ausweg ist bislang nicht in Sicht

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 3 Min.

Freitagnachmittag, 14.30 Uhr. Am Vorplatz des S- und Regionalbahnhofs Erkner, vor allem aber am Straßenkreisel, der die aus Berlin beziehungsweise dem östlichen Umland kommenden Autoströme ventiliert, beginnt der Wochenendverkehr.

Ein gut gewählter Zeitpunkt für einen »Verkehrspolitischen Stadtrundgang«, führt der doch mitten hinein in das zentrale Problem dieser Stadt am grünen Rand von Berlin mit ihrer beengten Lage zwischen Dämeritzsee, Flakenfließ und Flakensee sowie der stark befahrenen Eisenbahnstrecke Berlin - Frankfurt (Oder). Der Durchgangsverkehr legt Erkners wichtigste Einkaufsmeile, die enge Friedrichstraße, bereits heute in den Spitzenzeiten zuverlässig lahm. Und auch die Pendlerströme stoßen am Bahnhof an Kapazitätsgrenzen.

Nun aber steht die gesamte Region zwischen den südlichen Berliner Außenbezirken und Fürstenwalde in Brandenburg vor einer ganz neuen Herausforderung. Bereits Mitte 2021 will im rund sieben Kilometer von Erkner entfernten Gewerbeareal von Grünheide der US-Automobilbauer Tesla seine neue Elektroautofabrik in Betrieb nehmen. Die Vorarbeiten sind längst angelaufen. Was also tun, werden doch dort spätestens in einem Jahr pro Schicht etliche Hundert Arbeitskräfte tätig werden, Warentransporte auf Straßen und Schienen drängen?

Erdmute Scheufele, Grünen-Fraktionsvorsitzende im Stadtparlament von Erkner, hat zu einem »Verkehrspolitischen Stadtrundgang« eingeladen und dazu gleich Verstärkung aus Straßburg hinzugebeten - Ska Keller, die aus Brandenburg stammende Grünen-Fraktionschefin im EU-Parlament. Gekommen waren auch Anja Hähnel, Landesvorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland (VCD), und Mitarbeiterin der Stadtverwaltung. Kurz stieß auch Bürgermeister Henryk Pilz (CDU) dazu.

Scheufele wirbt dafür, Tesla als Chance zu nutzen, quasi als Weckruf für die Notwendigkeit einer Verkehrswende. Doch Erkners Probleme sind brandaktuell. Gibt sie doch selbst zu bedenken: »Insbesondere zu Stoßzeiten und während des Berufsverkehrs steht Erkner bereits seit einiger Zeit kurz vor einem Verkehrskollaps. Die Ansiedlung des US-amerikanischen Autobauers Tesla in wenigen Kilometern Entfernung könnte die Situation noch weiter verschärfen.«

Wie die Grünen im gesamten Kreisverband Oder-Spree ist auch der VCD-Brandenburg der Überzeugung, dass hier jetzt die Verkehrswende ansetzen müsse. Wege und Ziele hat der Verband Mitte Januar in einer Stellungnahme zum Tesla-Projekt skizziert: Ausbau des öffentlichen Angebots von Bus und Bahn, engere Taktung, mehr und sichere Fahrradtrassen, Prüfung von Tram-Verlängerungen (von Schöneiche oder Woltersdorf aus) - bei gleichzeitiger Reduzierung des privaten Autoverkehrs. Auch die Verkehrsberuhigung der Friedrichstraße durch Tempo 30 und »Shared Places« gehören dazu.

Vizebürgermeister Klaus Wolter sucht einen pragmatischeren Ansatz. Pläne für eine Umgehungsstraße entlang der Bahntrasse liegen bei der Stadt schon lange in der Schublade. Für den Radverkehrsausbau nach Grünheide könnte man den sieben Kilometer langen Abschnitt der alten Poststraße Berlin-Frankfurt (Oder) bis dorthin mit neuem Belag und Beleuchtung versehen. Am Bahnhof stellt die Bahn ein Areal für eine neue Parkstation in Aussicht. Doch all das braucht Zeit und Geld.

»Es ist höchste Zeit für die Verkehrswende. Sowohl europaweit als auch ganz lokal, gerade in Erkner«, resümiert die Europaparlamentarierin Ska Keller nach zweistündiger Tour durch die quirlige Stadt. »Wir sollten jetzt die Ansiedlung von Tesla in Grünheide als Schubkraft nutzen, um bestehende und kommende Herausforderungen für den Verkehr in einem Zug anzugehen.«

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