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Anti-Sanders-Front gegen Graswurzelarmee
Seit seinem Vorwahlsieg in South Carolina reitet Joe Biden eine Welle neuer Unterstützung
Uneinholbar wird Bernie Sanders am «Super Tuesday» nicht davonziehen. Denn die Dynamik des Vorwahlkampfs hat sich am Wochenende verändert. Bis zum Wochenende galt der demokratische Sozialist – nach den drei Vorwahlen in Iowa, New Hampshire und Nevada – als klarer Anführer des Kandidatenfeldes. Doch der deutliche Wahlsieg von Ex-Vizepräsident Joe Biden in South Carolina am Samstag mit fast 30 Prozent Abstand vor Sanders versetzte dem Senator aus Vermont einen Dämpfer. Erschwerend für ihn kam am Sonntag der Rückzug seiner Mitbewerber, die «moderat»-zentristisch orientierten Pete Buttigieg und Amy Klobuchar hinzu.
Viele ihrer Unterstützer werden sich den Sanders-Konkurrenten anschließen: Joe Biden, Michael Bloomberg oder Elizabeth Warren. Offenbar hatte Ex-Präsident Barack Obama im Hintergrund ein paar «Telefongespräche geführt. Am Montag trat Joe Biden dann mit Buttigieg, Klobuchar und auch mit Beto O Rourke im wichtigen Super-Tuesday-Staat Texas auf einer Kundgebung auf. Auch der vorher als progressiv auftretende O Rourke, der 2018 in seiner eigenen Kampagne für den Senatssitz in Texas noch ein Ende von »politics as usual« versprochen hatte, warf seine Unterstützung offiziell hinter Biden.
»Man kann nicht immer gewinnen«, sagte Sanders bei einem Wahlkampfauftritt in Virginia, »das wird nicht die einzige Niederlage bleiben. In diesem Land gibt es viele Staaten, und niemand kann sie alle gewinnen«. Er zog dabei eine deutliche Trennlinie zu Biden. Der habe in den Jahren oft »schlecht« abgestimmt, von der Zustimmung zum Irakkrieg und zu Handelsverträgen bis hin zur Infragestellung der Renten- und Sozialversicherung. Diese Mängel würde Trump, falls Biden der Kandidat der Demokraten werde, weidlich zu nutzen wissen. Weiter sagte Sanders, auf Biden gemünzt, die »altmodische Politik, dieselbe immer gleiche Politik, die niemand richtig begeistert und niemand hinter dem Ofen hervorlockt«, müsse begraben werden.
Gleichwohl verweist der Wahlsieg Bidens in South Carolina auf eine Schwäche, die Sanders schon vor vier Jahren im Vorwahlkampf gegen Hillary Clinton zum Nachteil gereichte: Einen Durchbruch bei afroamerikanischen Wählern, die als das Rückgrat der Demokratischen Partei gelten, konnte er nicht erzielen. Zwar überzeugte Sanders eine Mehrheit junger afroamerikanischer Wähler von seinem Programm. Aber in der Generation über 30 Jahren blieben die Stimmen klar bei dem Zentristen Biden. Der höchstrangige schwarze Kongressabgeordnete Jim Clyburn, eine Parteigröße in South Carolina, kritisierte an Sanders, »wenn wir gewinnen wollen, dann nicht mit einer linksextremen Partei«. Sanders Beharren auf einer allgemeinen Krankenversicherung sei kein Weg, zu einer großen Koalition gegen Trump zu kommen.
Wenn Sanders am »Super Tuesday« an solchen Anwürfen vorbei bei schwarzen Wählern in anderen Landesteilen mehr punkten kann, dann vor allem, wenn sich mehr junge Wähler beteiligen. Seit Wochen betont der demokratische Sozialist, nur eine Rekordwahlbeteiligung von Wählern aus der »multi-racial working-class« würde zum Erfolg führen.
Das wird sich Dienstagnacht erweisen. Mehrere Staaten haben einen hohen Anteil an afroamerikanischen Wählern, darunter Alabama, Tennessee, North Carolina und Virginia. Dasselbe gilt für Kalifornien und Texas, wo zusätzlich Latinos eine große Rolle spielen. Sanders hat sich in den letzten Jahren tatsächlich sehr um stärkere Kontakte mit Nicht-Weißen bemüht. Er besuchte schwarze Universitäten und geißelte immer wieder, stärker als andere Kandidaten, das rassistische Justizsystem. Sanders traf sich mit dem bekannten, linkschristlichen Reverenden William Barber. Unterstützt wird er dabei von der außergewöhnlich begabten Rednerin Nina Turner. Die ehemalige Staatssenatorin aus Ohio führt meist vor Wahlkampfreden ein. Ihr erklärtes Ziel: eine so hohe Wahlbeteiligung von Afroamerikanern wie bei der Wahl von Obama.
Doch Sanders erlebt starken Gegenwind. In fast allen Staaten, die am Super Tuesday Vorwahlen abhalten, lag Sanders laut Umfragen, die allerdings vor dem South-Carolina-Wahlsieg von Biden angestellt wurden, vorne. Doch in den Befragungen seit der Wahl in South Carolina hat Biden vor allem in vielen Südstaaten deutlich dazugewonnen. Die Biden-Kampagne hofft, dass dieser Last-Minute-Schwung ausreicht, um etwa North Carolina, Virginia und auch Texas zu gewinnen.
Welche Rolle der Multimilliardär und Ex-Bürgermeister von New York Michael Bloomberg beim Ausbremsen von Sanders spielt, wird sich ebenfalls Dienstag Nacht herausstellen. Denn: Bloomberg wird am Dienstag zum ersten Mal auf Wahlzetteln aufgelistet. Er gab bislang fast 400 Millionen Dollar an Wahlwerbung aus.
Sanders ist bislang mit einer entscheidenden Zutat gesegnet, die in den USA für eine erfolgreiche Wahl unabdingbar ist: Wahlkampfgelder. Am Sonntag verkündete sein Team einen neuen Rekord. Im Februar seien von mehr als 2,2 Millionen Kleinspendern 46,5 Millionen Dollar eingegangen. Das ist mehr als doppelt so viel, wie auf Bidens Konto überwiesen wurde. Bloomberg wiederum ist davon unabhängig, weil er seinen Wahlkampf aus eigenen Mitteln bestreitet.
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Recht sicher ist, dass sich mit den Ergebnissen von »Super Tuesday« und im weiteren Verlauf für Bernie Sanders noch mehr Hürden auftürmen. Er wird vermutlich in den kommenden Wochen mehr Delegiertenstimmen als alle anderen Kandidaten erhalten, derzeit sieht es aber so aus, als würde er unter der absoluten Mehrheit von 1991 Delegiertenstimmen bleiben. Die wäre zur sofortigen Kür als Präsidentschaftskandidat aber notwendig.
Deshalb wird es voraussichtlich zu einer »contested convention«, einer Kampfabstimmung, in einem zweiten Wahlgang kommen. Daran dürfen sich laut den Regularien der Partei dann die »Superdelegierten« beteiligen. Das sind mehrere Hundert altgediente Parteifunktionäre, mehrheitlich Sanders-Gegner, die ihm wahrscheinlich die Gefolgschaft entziehen und einen Gegenkandidaten küren würden.
Das Sanders-Team setzt deshalb dieser Tage aufs Ganze, um vielleicht doch noch auf eine absolute Mehrheit an Delegiertenstimmen zu kommen. Falls das nicht der Fall ist, stehen auf dem Parteitag im Juli die Zeichen auf Sturm, einige Sanders-Unterstützer haben bereits auch militanten Protest angekündigt.
Doch zunächst reagiert die Graswurzelarmee von Sanders auf das »Joementum« wie immer, wenn ihr Kandidat angegriffen wird: Mit verstärktem Aktivismus, die Freiwilligen lassen derzeit die Telefondrähte glühen. Am Montag Abend vermeldete Jack Califano, Leiter der Graswurzelkampagne von Sanders, in den letzten drei Tagen hätten Freiwillige mehr als drei Millionen Telefonanrufe getätigt, um zweifelnde Wähler in den Super-Tuesday-Staaten für Sanders zu gewinnen. Offenbar brach das automatische Anrufsystem der Kampagne zeitweise unter dem Freiwilligenansturm zusammen.
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