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- »Norddeutsche Nebentischreportagen«
»Die Provinz ist äußerst unhip«
Es lebe das Kolumnieren auf dem flachen Land! Ein Gespräch mit Susanne Fischer über ihre »Norddeutschen Nebentischreportagen«
Frau Fischer, »Norddeutsche Nebentischreportagen« ist ein tolles Buch. Das wusste ich aber schon, weil ich Ihre Sachen stets im Original in der Zeitung lese. Sie haben die Texte ja komponiert, unter thematischen Rubriken subsumiert, eine Reihenfolge festgelegt. Ist so eine Sammlung mehr als die Summe der Teile?
Unverschämtheit! Müssen Sie sich sofort auf den wunden Punkt stürzen? Die Rubriken sind vollkommen willkürlich gewählt, jede könnte auch (frei nach Robert Gernhardt) »Ich - Ich - Ich« heißen. Wenn Sie das Buch kaufen, wissen Sie am Ende mehr über mich als ich selbst. Und außerdem haben Sie alle Texte auf einmal zur Hand. Klarer Vorteil.
Susanne Fischer ist Schriftstellerin und Geschäftsführerin der Arno-Schmidt-Stiftung. Seit vielen Jahren schreibt sie Kolumnen für die »Wahrheit«-Seite der »Taz«. Dafür wurde sie 2013 als »leidenschaftliche Menschenbeobachterin und Alltagschronistin« mit dem Ben-Witter-Preis ausgezeichnet. Eine Auswahl ihrer Kolumen ist nun bei Haffmans als Buch unter dem Titel »Norddeutsche Nebentischreportagen« erschienen. Mit Fischer sprach Frank Schäfer.
Sie gehören zu den wenigen komischen Autorinnen (m/w/d, also männlich/weiblich/divers), die sich um das Dorfleben kümmern, die Flachland und -leute so ernst nehmen, dass sie Witze darüber machen können. Haben Sie eine Erklärung, warum diese Welt so wenig Schreibende interessiert?
Weil man hier noch nicht mal weiß, was »m/w/d« bedeutet. Meine Nachbarn würden Ihnen ganz hübsch was erzählen, wenn Sie ihnen damit kommen. Also kurz: Die Provinz ist äußerst unhip - es sei denn, man möchte sich als Hauptstädter mal mit einem Kurzausflug brüsten, dann schreibt man hinterher ein Buch. Das wirkt auf mich eher unangenehm ethnologisch.
Als Geschäftsführerin der Arno- Schmidt-Stiftung wohnen Sie ja quasi berufsbedingt in einem der Nachbardörfer von Bargfeld, dem letzten Wohnort des Schriftstellers, führen also eine Provinzexistenz wie Ihr Hausheiliger. Ihm ging mit den Jahren irgendwann ein bisschen die Welt verloren. Haben Sie auch manchmal Angst, kauzig zu werden?
Ich bin nicht religiös. Arno Schmidt war ein ausgezeichneter Schriftsteller; das ist aber kein Grund, seine Marotten zu übernehmen - von denen er übrigens weniger hatte, als die meisten Leute glauben. In die Provinz ziehen, um in Ruhe zu schreiben, ist jedenfalls keine.
Sie haben viel über Arno Schmidt geforscht und geschrieben. Kann man als Schriftstellerin etwas von ihm lernen?
Man kann von ihm lernen, wie man pointiert erzählen kann, verknappt auf das Wesentliche, ohne dass deshalb die Atmosphäre flöten geht. Er war ein guter Dialogschreiber und machte wunderbare Witze. Aber natürlich sollte deshalb niemand versuchen, »wie Schmidt« zu schreiben; man kann daraus nur lernen, Erzählsituationen weniger konventionell zu gestalten als andere. Sich auch mal was zu trauen.
Wenn man Ihre Kolumnentexte liest, fühlt man sich nicht an Arno Schmidt erinnert, eher an Flann O’Brien, Harry Rowohlt oder auch Fanny Müller. Welches Leseerlebnis könnte noch Einfluss auf Ihr Schreiben ausgeübt haben?
Fanny Müller, mit der ich auch zusammengearbeitet habe, war schon sehr wichtig. Für die Kolumnen wüsste ich keinen anderen Einfluss zu nennen als Fanny und Harry (der uns gern Fanny und Sanny nannte).
Gerade konnte man lesen, dass Kolumnieren immer noch zum weitaus größeren Teil eine Männerbeschäftigung ist. Satire, oder sagen wir lieber: komische Literatur, ebenfalls. Ist das »Mansplaining« ins Publizistische gewendet? Oder welche Erklärung haben Sie dafür?
Muss ich denn alles erklären? Kann das nicht mal ein Mann machen? Die drängeln sich doch sonst auch immer vor.
Mir gefällt an Ihren Texten, dass sie mir nicht die Meinung geigen, jedenfalls nicht so direkt, sondern lieber eine Geschichte erzählen. Oder auch vier durcheinander, die dann aber doch etwas Geschlossenes ergeben. Manchmal meint man, Ihnen beim freien Assoziieren zuschauen zu können. Wie schreibt man eine gute Kolumne?
Ärks. Ich habe keine Ahnung - und bin oft überrascht, welche Kolumnen wegen ihrer Form oder Formulierungen starke Resonanz haben, also hoffentlich gut sind, und welche nicht. Ein bis zwei Grundideen reichen mir inzwischen, um loszulegen (ich höre Sie murmeln: »So liest es sich ja auch«); der Rest kommt dann beim Schreiben. Darauf kann ich inzwischen, mit einiger Routine, meist vertrauen. In meinen Kolumnen verknüpfen sich oft wie von selbst Dinge, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben. Wenn das gelingt, entsteht etwas Neues oder Überraschendes, aber es geht halt auch mal daneben.
Was brauchen Sie dafür? Rotwein, Kaffee, Schokolade, Dope? Oder reicht die Deadline?
Die Deadline - fragen sie mal meinen besten Kolumnennebendarsteller (»der Liebste«), wie hier vorher rumgeweint wird, wenn die Kolumne fällig ist. Alkohol und Schreiben geht bei mir übrigens gar nicht zusammen. Deshalb schreibe ich so wenig.
Sie schreiben auch Romane und Erzählungen. Wie unterscheidet sich der Produktionsprozess?
Die Langstrecke ist für mich viel schwieriger, schon weil ich wegen meiner Arbeit nicht kontinuierlich jeden Tag schreiben kann. Während der Arbeit am Roman ruft immer jemand sehr laut »Lass es doch!« in meinem Arbeitszimmer, obwohl ich ganz allein drinsitze. Es gibt aber Geschichten, die nicht in 3000 Zeichen passen, mein jüngstes Jugendbuch »Die Wolkenkönigin« erzählt so eine Geschichte. Wenn wieder mal ein Roman erschienen ist, höre ich häufiger, ich sei »so toll in der kleinen Form«. Vielen Dank, liebe Leute, ich habe verstanden.
Susanne Fischer: Norddeutsche Nebentischreportagen. Die »Wahrheits«-Kolumnen aus der Taz. Haffmans-Verlag bei Zweitausendeins, 228 S., geb., 19,90 €.
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