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Renaissance der Schlagbäume
Schengen ade: Die Grenzen in Europa werden wieder kontrolliert, um Touristen abzuweisen
Als Donald Trump am Mittwochabend wegen der Ausbreitung des Coronavirus in Europa einen Einreisestopp für Passagiere aus dem Schengenraum verkündete, war die Empörung groß. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel äußerten in einer gemeinsamen Stellungnahme ihre Ablehnung gegenüber diesem Schritt. »Das Coronavirus ist eine globale Krise, die nicht auf irgendeinen Kontinent beschränkt ist und eher Zusammenarbeit erfordert als einseitige Aktion«, betonten die EU-Spitzenpolitiker.
Seitdem ist nicht einmal eine Woche vergangen, und die Reisefreiheit im Schengenraum ist in weiten Teilen aufgehoben worden. Auch Deutschland kontrolliert seit Montagmorgen seine Grenzübergänge zu den Nachbarstaaten Schweiz, Frankreich, Österreich, Dänemark und Luxemburg umfassend. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte am Sonntag angekündigt, Reisende »ohne triftigen Grund« dürften nicht mehr einreisen. Deutsche Staatsangehörige sowie Pendler seien von der Beschränkung ausgenommen. Sie dürften weiterhin die Grenze passieren.
Frankreich reagierte auf die Kontrollen umgehend. Der Grenzverkehr solle auf das Nötigste reduziert werden, hieß es am Sonntag im Pariser Innenministerium. Andere EU-Staaten wie Dänemark, Polen, Tschechien, Slowakei und Österreich hatten bereits zuvor ihre Grenzen weitgehend geschlossen. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán kündigte Grenzschließungen für Dienstag an.
Auswirkungen der Grenzsicherungen sind in Deutschland insbesondere im Osten zu spüren. EC-Züge von Hamburg nach Tschechien fielen am Montag aus. In Mecklenburg-Vorpommern fuhren Nahverkehrszüge der Linie RB 4 und RB 23 nicht mehr über die polnische Grenze nach Szczecin und Swinoujscie. Polen hatte seine Grenzen bereits in der Nacht zu Sonntag geschlossen. An den Übergängen gab es zum Teil lange Staus. Auf der Autobahn 4 am Grenzübergang von Ludwigsdorf zum polnischen Jedrzychowice habe die Abfertigung zeitweise bis zu acht Stunden gedauert, teilte die Bundespolizei mit. Dort hätten vor allem polnische Staatsbürger einreisen wollen. Deutschen sei hingegen die Einreise verwehrt worden, hieß es. Die Grenze zu Polen soll zunächst bis zum 29. März geschlossen bleiben.
Besorgt über das unkoordinierte Vorgehen der EU-Staaten äußerte sich Kommissionspräsidentin von der Leyen. Sie warnte vor leeren Supermarktregalen, weil Lastwagenfahrer an den Grenzen strandeten. »Wenn wir jetzt nicht handeln, werden Läden Schwierigkeiten bekommen, ihre Lager mit bestimmten Produkten zu füllen«, sagte von der Leyen in einem auf Twitter verbreiteten Video. »In diesem Moment der Krise ist es von äußerster Wichtigkeit, unseren gemeinsamen Binnenmarkt am Laufen zu halten.« Die CDU-Politikerin hat Sorge, dass nicht nur der Reisesektor von den strengen Grenzkontrollen betroffen ist, sondern auch die gesamte Wirtschaft. Gesundheitsschutz dürfe nicht dazu führen, dass wichtige Güter und Personal blockiert würden, sagte die Kommissionschefin. Sie beratschlagte sich am Montag mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem EU-Ratspräsidenten Michel per Videokonferenz über die aktuelle Lage. Von der Leyen sprach sich zuvor für einheitliche Kontrollmaßnahmen an den europäischen Grenzen aus.
Während CSU-Chef Markus Söder die Kontrollen als wichtigen Baustein im Kampf gegen Corona nannte und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) die verschärften Kon-trollen begrüßte, wird auch Kritik an den herabgelassenen Schlagbäumen laut: Die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Katarina Barley, glaubt nicht daran, dass die Grenzkontrollen viel bewirken. Die Sozialdemokratin sieht darin eher eine symbolische Politik, die das Sicherheitsgefühl der Menschen bestärken soll. Es mache Sinn, Einreisesperren in besonders stark betroffenen Gebieten zu errichten, sagte sie im Deutschlandfunk. »Das ist unbestritten. Ob das jetzt unbedingt nationale Grenzen sind, da kann man sicherlich darüber streiten.«
Seehofer verteidigte dagegen das Vorgehen einzelner Staaten. Man dürfe sich nicht wundern, dass die Nationalstaaten ihrerseits Maßnahmen ergriffen, wenn das Virus seit Januar in Europa sei und es keine europäische Lösung gebe. Die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt stimmte dem CSU-Politiker in der Sache zu: »Maßnahmen, die eine grenzüberschreitende Ausbreitung unterbinden können, sind richtig.« Aber auch sie warnte: »Nach nationalen Alleingängen brauchen wir jetzt dringend mehr europäische Solidarität und Koordinierung.« Dem pflichtet auch der Parteivorsitzende der Linken, Bernd Riexinger, bei. Es dürfe nicht um »nationale Vorteilsnahme im Stile von Trump« gehen. Nötig sei jetzt ein abgestimmtes europäisches Vorgehen.
Offene Fragen gibt es derzeit noch einige. Unklar ist etwa, ob es bei den derzeitigen Einschränkungen bleibt oder ob auch an den Grenzen zu den Niederlanden, nach Polen und Tschechien kontrolliert wird. Denkbar ist auch, dass der Flugverkehr eingeschränkt wird und noch weitere Zugverbindungen in Nachbarstaaten gestoppt werden.
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