- Politik
- Präsidentschaftswahlkampf der US-Demokraten
Joe Biden gewinnt Vorwahl in Florida, Illinois und Arizona
Ex-Vizepräsident hat rechnerisch fast uneinholbaren Delegierten-Vorsprung gegenüber Bernie Sanders erreicht
Washington. Der frühere US-Vizepräsident Joe Biden ist der Präsidentschaftskandidatur der oppositionellen Demokraten einen großen Schritt näher gekommen. Bei den von der Coronavirus-Krise überschatteten Vorwahlen gewann der 77-Jährige in Florida, Illinois und Arizona und damit in allen drei Bundesstaaten, in denen am Dienstag abgestimmt wurde. Nun richten sich alle Augen auf seinen linksgerichteten Rivalen Bernie Sanders: Der Senator muss entscheiden, ob er weiter im Rennen bleibt oder aufgibt. Sein Umfeld signalisierte, er wolle weiter im Rennen bleiben.
Einen wahren Erdrutschsieg fuhr Biden im bevölkerungsreichen und damit besonders wichtigen Florida ein: Prognosen zufolge landete der hoch favorisierte Mitte-Politiker mit rund 60 Prozent etwa 40 Prozentpunkte vor Sanders. Auch in Illinois und Arizona fielen die Siege US-Medien zufolge deutlich aus. Eigentlich hätte am Dienstag als vierter Bundesstaat in Ohio gewählt werden sollen. Der dortige Gouverneur verschob die Vorwahlen aber wegen der Coronavirus-Pandemie in letzter Minute.
Damit ging es um insgesamt 441 der 3979 Delegierten, die bei einem Parteitag im Juli den Herausforderer von Präsident Donald Trump küren sollen. Allein 219 Delegierte wurden in Florida vergeben. Biden konnte mit seinen Erfolgen seinen Vorsprung an Delegiertenstimmen deutlich ausbauen. Rein rechnerisch ist dem einstigen Stellvertreter von Präsident Barack Obama die Präsidentschaftskandidatur kaum mehr zu nehmen. Nach aktuellem Auszählungsstand verfügt Biden aktuell über 1147 Delegierte für den Nominierungsparteitag im Juli, Sanders nur über 861. Für die Nominierung im ersten Wahlgang sind 1991 Delegierte nötig.
Damit wächst der Druck der Demokraten auf Sanders, das Handtuch zu werfen, damit sich die Partei für die Präsidentschaftswahl im November hinter Biden vereinen kann. Sanders hatte sich 2016 ein langes und erbittertes Vorwahlrennen mit seiner Rivalin Hillary Clinton geliefert. Kritiker machen den langjährigen Senator deswegen mitverantwortlich für Clintons Niederlage gegen Trump bei der Präsidentschaftswahl.
Biden streckte den Anhängern seines Konkurrenten am Dienstagabend die Hand aus. Er und der selbsternannte »demokratische Sozialist« Sanders hätten vielleicht unterschiedliche Ansichten zu »Taktik, aber wir teilen eine gemeinsame Vision«, sagte er in einer Ansprache. Biden nannte unter anderem das Ziel einer besseren Gesundheitsversorgung sowie den Kampf gegen den Klimawandel.
Aus Sanders' Lager kam aber eine ablehnende Reaktion: Sprecherin Briahna Joy Gray kommentierte im Kurzbotschaftendienst Twitter Bidens Äußerungen, wonach er und der Senator eine gemeinsame Vision teilten, mit den Worten: »Tun wir nicht.« Sanders selbst äußerte sich am Wahlabend nicht. Doch in einer Pressekonferenz vergangener Woche hatte er Forderungen an Joe Biden gestellt. Wie 2016, als Clinton einen Teil der Forderungen von Sanders übernahm, geht es jetzt offenbar darum Zugeständnisse von Biden an das Lager der progressiven Demokraten zu erreichen.
Lesen Sie auch: Der nette Onkel Joe - Obamas Ex-Vizepräsident steht für ein Zurück in die Vergangenheit.
Biden hat in den letzten Tagen zunehmend versucht, den linken Parteiflügel für sich zu gewinnen. Er übernahm zwei Vorschläge des progressiven Demokraten-Lagers. Dazu gehört ein kostenloses Studium an öffentlichen Hochschulen für Studenten, deren Familien weniger als 125.000 Dollar im Jahr verdienen. Auch den Vorschlag der progressiven Senatorin Elizabeth Warren zu einer verbraucherfreundlichen Reform der Insolvenzgesetzgebung übernahm er. Die Ironie dabei: Würde Warren Plan umgesetzt, wäre es das Ende der unternehmensfreundlichen Gesetztgebung zum Thema, die vor Jahren maßgeblich von Joe Biden vorangetrieben wurde. Er hatte sich harte Auseinandersetzungen mit Warren im Senat dazu geliefert.
Die Vorwahlen vom Dienstag fanden wegen der Coronavirus-Pandemie unter besonderen Gesundheitsvorkehrungen statt. Wartende Wähler mussten Abstand zueinander halten, die Wahlbüros wurden regelmäßig desinfiziert, Wahlhelfer trugen Handschuhe und teilweise Gesichtsmasken. Für die Wähler stand teilweise Desinfektions-Spray bereit. Doch das war offenbar nicht überall so, wie Berichte empörter Wähler auf sozialen Medien zeigen. Die Sanders-Kampagne hatte aus Rücksicht auf die Coronakrise auf Haustürwahlkampf und direkte Wahlaufrufe verzichtet. Die Biden-Kampagne rief ihre Anhänger auf trotz Coronavirus zur Wahl zu gehen.
Lesen Sie auch: Opportunistisches Kalkül - Max und Moritz analysieren im Chat mit Oliver Kern jede Woche den US-Wahlkampf
Ohnehin behindert die Corona-Krise die Vorwahlen stark. Biden und Sanders mussten ihre Wahlkampfveranstaltungen vor Anhängern absagen. Mehrere Bundesstaaten haben die Vorwahlen auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.
Neben den Demokraten halten auch Trumps Republikaner Vorwahlen ab. Am Dienstag sicherte sich der Präsident dabei rechnerisch eine erneute Nominierung: Er hat nun ausreichend Delegiertenstimmen gewonnen, wie seine Partei mitteilte. Das galt allerdings als reine Formsache. Ernsthafte Herausforderer aus den eigenen Reihen hatte der Amtsinhaber nicht. AFP/nd
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.