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Berliner Kollektive in der Krise
Regenbogenfabrik und SO36 stehen vor enormen Herausforderungen
Ein Notplenum nach dem andern findet aktuell in der Berliner »Regenbogenfabrik« statt. Das Kollektiv mit seinen 29 Beschäftigten musste die meisten Bereiche seines Betriebes dichtmachen. Die Kantine, die vor allem Kindertagesstätten beliefert hat, das Kino, der Veranstaltungsbereich und die Kita mussten nach Vorgaben des Senats diese Woche ganz geschlossen werden. Das Hostel, das vom Kollektiv betrieben wird, bekommt bereits seit zwei Wochen nur noch Absagen. Einzig die Selbsthilfe-Fahrradwerkstatt bleibt geöffnet. Doch Einkommen generiert der Kollektivbetrieb damit nicht. Große Rücklagen sind auch nicht vorhanden. »Das ist die schwerste Krise für das Kollektiv seit das Haus abgerissen werden sollte«, sagt Andy Wolff, langjährig Aktiver in der »Regenbogenfabrik«, dem »nd«.
Ähnlich ergeht es aktuell dem »SO36«, dem bekanntesten Konzertveranstalter in Kreuzberg, einem gemeinnützigen Verein mit kollektiver Struktur. Aufgrund der Schließung kommt kein Geld mehr herein. Die Kosten laufen aber weiter. »Wir achten darauf, Minijobs zu vermeiden und sozialversicherungspflichtige Verträge zu schließen. Dadurch haben wir aber auch hohe Personalkosten«, erklärt Nanette Fleig, Sprecherin des »SO36«, die Situation. »Und wir haben noch Glück. Wir konnten mit unseren Vermietern vereinbaren, die Miete zu stunden. Das können andere Kultureinrichtungen in Berlin nicht«, so Fleig weiter. Besonders enttäuscht sei sie aber von einigen Besuchern, die das Geld für Konzertkarten unmittelbar zurückforderten und nicht bereit seien, auf Ersatzkonzerte nach der Schließzeit zu warten.
Wie auch die »Regenbogenfabrik« beantragen sie Kurzarbeitergeld für alle, die einen Arbeitsvertrag im »SO36« haben. Dabei seien sie normalerweise nicht unbedingt die ersten, die staatliche Hilfen in Anspruch nähmen, doch jetzt gehe es nicht anders, erklärt Fleig. Außerdem wolle man versuchen, Kredite aufzunehmen, um die Schließzeit des »SO36« zu überbrücken. Doch das ist gar nicht so einfach, weiß auch Wolff von der »Regenbogenfabrik«. »Wir versuchen seit zwei Tagen unsere Bank zu erreichen, aber da geht niemand mehr ans Telefon«, sagt er dem »nd«.
Dabei galten Kollektivbetriebe und Genossenschaften in der Wirtschaftskrise 2008 noch als besonders krisenresistent. Die Fähigkeit, Krisen zu überstehen, sieht die Expertin für solidarische Ökonomie, Elisabeth Voß, trotz der aktuellen Probleme weiterhin gegeben. »In der aktuellen Coronakrise haben Kollektivbetriebe tendenziell bessere Überlebenschancen als andere Kleinbetriebe. Das solidarische Miteinander im Inneren sowie ihr soziales Umfeld kann viele Engpässe abfedern«, erläutert Voß. »Dies ist jedoch kein Automatismus, die Voraussetzung ist, dass eine Gruppe gut miteinander funktioniert«, warnt sie.
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»In der ›Regenbogenfabrik‹ beteiligen sich so viele an den Plena wie schon lange nicht mehr«, freut sich Andy Wolff über die rege Anteilnahme. Doch wie lange kann man sich noch treffen? Mit dem Voranschreiten der Krise und angesichts möglicher Ausgangssperren könnte es schwer für das Kollektiv werden. »Wir funktionieren sehr alt. In unserem Kollektiv gibt es einige Verweigerer von Handys, Messengern wie Whatsapp – oder sie haben einfach keinen Computer zu Hause.«
Die Solidarität des Umfeldes gibt es. Das »about blank«, ein Clubkollektiv im benachbarten Friedrichshain, konnte in nur einem Tag mit einer Crowdfunding Kampagne auf der Plattform start next »what ever you take – rettet die Blankies« mehr als 38 000 Euro an Spenden einsammeln. Auch die Clubcomission und das Bündnis Reclaim Club Culture haben eine Spendenkampagne gestartet. »Bei uns ist eine Spende von 1000 Euro eingegangen. Eine Spenderin hat angeboten, die möglichen Einnahmen einer Veranstaltung zu spenden«, berichtet Wolff von der »Regenbogenfabrik«. Das helfe real und sei auch einfach eine moralische Unterstützung, meint er.
Andy Wolff ist sich mit Nanette Fleig vom »SO36« einig, dass Kredite eine Bürde für die Zukunft darstellen. »Denn was wäre das für eine schwere Hypothek, wenn wir nach der Schließzeit mit 150 000 Euro Schulden oder mehr dastehen?«, bringt Fleig ihre Sorgen zum Ausdruck. Besorgt ist sie aber auch über die betriebliche Situation hinaus. Sie fragt sich vor allem, was nach der Krise noch von den Bürgerrechten übrig geblieben sein wird.
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