Lasst die Beschäftigten ran!

Hans-Gerd Öfinger plädiert für eine Verstaatlichung von Konzernen

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.

»Spanien verstaatlicht private Krankenhäuser.« Diese Meldung hat seit Montag in sozialen Netzwerken Begeisterung ausgelöst. Na endlich, sagen sich viele. Warum nicht auch bei uns? Das Gespenst der Verstaatlichung geht wieder um.

Allerdings ist es im Fall der spanischen Kliniken noch keine Enteignung oder Verstaatlichung im sozialistischen Sinn. So viel Mut hat die linke Minderheitsregierung in Madrid nicht. Gesundheitsminister Salvador Illa geht es zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie um staatlichen Zugriff auf private Kliniken und ihre Ausrüstung, Immobilienleerstände, medizinische Industrie und Handel. Hintergrund ist die immer katastrophalere Situation bei der Corona-Bekämpfung auf der iberischen Halbinsel.

Dabei sind solche Eingriffe bitter nötig. Sie zeigen, dass Privatisierung, Profit und »freier Markt« im Gesundheitswesen versagt haben und eine zentrale Lenkung und Planung notwendig ist. Der Krisenfall verdeutlicht, wovor Privatisierungskritiker seit Jahren warnen.

Von Verstaatlichung und staatlichem Zugriff ist angesichts von Corona und Rezession nicht nur in Madrid die Rede. So verlangt New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio zur Corona-Bekämpfung eine »kriegsartige« Mobilisierung und Verstaatlichung der Versorgungskette für Geräte und Hygieneprodukte. In Rom will die Regierung die teilprivatisierte Airline Alitalia wieder verstaatlichen. Paris will notfalls angeschlagene Unternehmen übernehmen. Und auch die deutschen Minister Peter Altmaier (CDU) und Olaf Scholz (SPD) schließen Staatsbeteiligungen bis hin zur Verstaatlichung von »strategisch wichtigen Unternehmen« nicht mehr aus. Der Erfurter Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) will dafür einen »Thüringen-Fonds« bilden. Bis 2008 war Tiefensee übrigens noch ein begeisterter Privatisierer und wollte als Bundesverkehrsminister im ersten Kabinett von Angela Merkel die Bahn an die Börse bringen. Die Wirtschaftskrise stoppte damals den Ausverkauf.

Wenn politische Akteure, die jahrzehntelang Megaprivatisierungen und freien Markt propagierten, nun von Verstaatlichung reden, schweben ihnen natürlich keine selbstverwalteten sozialistischen Musterbetriebe vor. Es geht ihnen um vorübergehende staatliche Eingriffe zur Rettung des kapitalistischen Systems. Das ist nichts Neues.

Schon vor und nach dem Zweiten Weltkrieg setzten Regierungen auf massive Staatsintervention. 1938 verstaatlichte Mexikos Präsident Lázaro Cárdenas die Ölindustrie. Ab 1945 wurde auch in Großbritannien, Frankreich, Italien oder Österreich die Verstaatlichung wichtiger Industrien vorangetrieben, die zuvor von den privaten Besitzern heruntergewirtschaftet wurden. Die Londoner Labour-Regierung übernahm ab 1945 Eisenbahnen, Bergbau und Stahlwerke und gründete den staatlichen Gesundheitsdienst NHS. Dieselbe Regierung bremste jedoch als Besatzungsmacht in Westdeutschland die Sozialisierung der Schwerindustrie aus.

Wenn nun angesichts von Pandemie und Wirtschaftskrise selbst Bürgerliche wieder auf ein Eingreifen des Staates und Verstaatlichung als »Ultima Ratio« setzen, sollten Sozialisten dies offensiv und in ihrem Sinn aufgreifen. Übernehmt die strategisch notwendigen Konzerne und Banken und lasst die Beschäftigten ran! Sie sind die Experten und können es besser als die Manager! Entschädigung nur bei erwiesener Bedürftigkeit!

2009 rettete der Bund die angeschlagene Commerzbank mit hohen Milliardenbeträgen. Er hätte die Bank ganz legal komplett übernehmen können. Weil das nicht passierte, konnten die Manager seither munter Cum-Ex-Deals zu Lasten der Steuerkasse betreiben. Zeit, dass damit Schluss ist.

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