Aufwachen in Unsicherheit

Wie Sportchef Fredi Bobic die Coronakrise bei Eintracht Frankfurt managt

  • Frank Hellmann, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 4 Min.

Fredi Bobic ist es eigentlich gewohnt, ständig unterwegs zu sein. Mit der Coronakrise gehört auch der Sportvorstand von Eintracht Frankfurt zu denjenigen, die die Füße still halten müssen. »Auf diese Ruhe hätte man gerne verzichten können«, erklärt der 48-Jährige in einem Videointerview aus dem Homeoffice, nachdem sich mindestens zwei Profis des hessischen Bundesligisten infiziert hatten. Der Funktionär sagte deshalb am Wochenende auch eine Einladung ins ZDF-Sportstudio ab, weil er sich nach dem ersten Fall selbst eine Quarantäne in Frankfurt verordnet hat: »Das gehört sich einfach, dass man Disziplin vorlebt. Da ist man selbst in der Verantwortung.« Angst sei für seine Gemütslage das falsche Wort, er wache aber »vor allem mit dem Gefühl der Unsicherheit« auf.

Bobic rechne damit, dass nach den restlichen Testergebnissen »noch der eine oder andere Spieler dazu kommt, und es generell weitere Beteiligte erwischen wird.« Aber: Total isolieren kann ein Klub seine Angestellten nicht. Speziell für die Fußballprofis hat die Eintracht die Versorgungsmaßnahmen insofern ausgeweitet, dass erst gar kein Adler mehr auf die Idee kommt, sein Nest verlassen zu müssen. Eine eigene App ist eingerichtet, »damit die Jungs ihr Essen geliefert bekommen« (Bobic) - den Fahrdienst erledigt Mannschaftskoch Stefan Eisler. Athletiktrainer Martin Spohrer stellt Videos mit Fitnessübungen ein, zudem wurden den Spielern Fahrräder nach Hause geliefert. Nationaltorwart Kevin Trapp erheiterte seine Kollegen über die sozialen Netzwerke mit besonders kraftvollen Übungen.

Wie lange gleichwohl die Motivation über solche Challenge-Effekte hochgehalten werden kann, weiß niemand. Erfahrungswerte für einen derartigen Ausnahmezustand liegen nicht vor. Daher wäre es wichtig, sich irgendwann wieder mit der ureigenen Aufgabe des Fußballspielens zu beschäftigen. »Unser Ziel sollte sein, die Saison zu Ende zu spielen«, sagt Bobic zwar allgemein. Aber er ahnt auch, dass das wenig realistisch ist, wenn sich in der Öffentlichkeit nicht mehr als zwei fremde Menschen treffen dürfen.

Die Eintracht ist eine für die ganze Rhein-Main-Region identitätsstiftende Marke geworden, weshalb der Sportchef sich wünscht, dass »wir unseren Beitrag leisten, dass die Menschen auch wieder über andere Dinge sprechen als das Coronavirus«. Der ehemalige Nationalspieler kann sich vorstellen, ohne Zuschauer im Mai und Juni die Saison durchzupeitschen und hält flexible Möglichkeiten für denkbar, »einen Spieler vertraglich über den Juni hinaus zu binden.« Die Saison abzusagen, zieht Frankfurts Baumeister vage in Erwägung, wenn er sagt: »Ein Saisonabbruch würde sehr, sehr viele sehr hart treffen. Wie viele kleine oder mittelständische Unternehmen.« Die Existenz aber stünde wohl nicht auf dem Spiel.

Denn Bobic hat nach seinem Amtsantritt im Sommer 2016 aus der einst launischen Diva einen auf Wachstum getrimmten Mittelstandsklub gemacht, der unter seiner Regie bereits zweimal im Pokalfinale stand und gerade das zweite Mal in der Europa League mitmischt. In der vergangenen Saison kletterte der Umsatz auf mehr als 200 Millionen Euro, diese Saison hätte der Klub - ohne die Coronakrise - an den 300 Millionen gekratzt. Das Eigenkapital betrug bereits im vergangenen Sommer 34,6 Millionen. Gewisse Puffer sind also vorhanden, und der Sportchef hat mit seinen Spielern über einen möglichen Gehaltsverzicht schon geredet.

An diesem Dienstag wird die Deutsche Fußball Liga (DFL) auf einer Präsidiumssitzung nicht umhin kommen, die bislang bis zum 3. April gültige Spielpause für den deutschen Profifußball zu verlängern. Alles deutet darauf hin, dass das neunköpfige Gremium ihren Mitgliedern bei deren nächster virtuellen Vollversammlung am 30. März eine weitere Aussetzung des Spielbetriebs empfiehlt.

Pragmatiker wie Fredi Bobic haben innerhalb der Liga mittlerweile starken Einfluss. Ihm hilft dabei seine Erfahrung: Nach seiner aktiven Karriere bewarb er sich 2006 um eine Hospitanz. Der prominente Praktikant lernte in der Zentrale im Frankfurter Westend auch Christian Seifert kennen: Der DFL-Vorsitzende und der Eintracht-Sportvorstand sind längst per Du miteinander. Bobic soll derjenige gewesen sein, der am 13. März in den Telefonkonferenzen vehement dazu geraten hat, den 26. Spieltag abzusagen. Zuvor wollte die DFL noch an einer absurden Ausführung ohne Zuschauer festhalten. Jetzt sind Geisterspiele auch für Frankfurts Sportchef eine Option.

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