Die Dauerkatastrophe
Seit fünf Jahren wütet der Krieg im Jemen
Die Bundesregierung hatte am Montag gerade ihr 50-Milliarden-Paket zur Bekämpfung der Auswirkungen der Corona-Krise vorgestellt, als die Weltbank bekannt gab, dass man 26,7 Millionen US-Dollar bereitstellen werde, um der Ausbreitung des Virus im Jemen entgegen zu wirken. Das Geld soll an die Regierung von Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi fließen, doch die hat schon seit vielen Jahren nur über einen kleinen Teil des Landes die Kontrolle. Viel größere Gebiete werden von den Houthi-Milizen, kleinen Kampfgruppen und dem durch Vereinigten Arabischen Emiraten gestützten Südlichen Übergangsrat kontrolliert, der für eine Teilung des Landes eintritt.
Schon seit 2015 dauert der Bürgerkrieg nun: Am 21. März 2015 hatten die Houthi-Milizen die Hauptstadt Sana‘a unter ihre Kontrolle gebracht, und zum Sturz Hadis aufgerufen, weil der sich weigerte, den Regionen und Bevölkerungsgruppen an den politischen Entscheidungsprozessen zu beteiligen. Am 26. März trat daraufhin eine von Saudi-Arabien geführte und von den Vereinigten Staaten unterstützte Militärallianz in den Krieg ein.
Es begann eine bis heute andauernde Serie von Bombardements auf die Houthi-Gebieten im Norden. Schulen, Krankenhäuser und Märkte wurden angegriffen; Tausende Zivilisten kamen dabei ums Leben. Außerdem verhängte Saudi-Arabien eine Seeblockade, schloss die gemeinsamen Grenzen. Seitdem herrscht im Norden chronischer Mangel an Nahrungsmitteln und medizinischen Gütern; zusätzlich zur Hungersnot breitete sich die Cholera aus. Und nun auch: Corona.
Einen Fall führt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bisher, aber das liege allein daran, dass im Jemen so gut wie gar nicht getestet wird, heißt es beim Roten Halbmond. Die meisten Patienten mit Symptomen würden wohl nie in die Nähe eines Arztes kommen. Es gibt davon schlicht nicht genug. Dabei ist das Virus dort besonders gefährlich: »Die gesamte Bevölkerung ist eine einzige, große Risikogruppe,« sagt der UNO-Sonderbeauftragte für den Jemen, Martin Griffiths.
Noch Ende 2019 hatte er sich optimistisch geäußert: Es war gelungen, einen direkten Gesprächskanal zwischen der Houthi-Führung und Saudi-Arabien einzurichten. Die Kämpfe flauten ab, es war gar von einem Waffenstillstand die Rede. Doch dann tötete das US-Militär am 3. Januar den Kommandeur der iranischen Kuds-Brigaden, Qassem Soleimani, und brachten damit eine neue Dynamik in den Konflikt.
»Die Konfliktbereitschaft der Kriegsparteien stieg von einem Tag auf den anderen massiv an«, so Griffiths. Die Kuds-Brigaden organisieren die iranische Unterstützung für bewaffnete Gruppen wie die Houthi-Milizen. Ob Soleimanis Tod dazu geführt hat, dass die Kuds-Brigaden den Konflikt aus Rache eskalierten oder ob die saudische Führung eine Chance sah, militärisch die Oberhand zu gewinnen, lässt sich nicht sagen.
Dabei ist die Situation auch militärisch aussichtslos: Hadi, der sich in Saudi-Arabien aufhält, wird von der internationalen Gemeinschaft behandelt, als habe er die Kontrolle über das Land, und als könne er nun auch die Ausbreitung des Coronavirus bekämpfen - eine massive Herausforderung, denn Beatmungsgeräte, Schutzkleidung, Medikamente fehlen flächendeckend, und die spärlichen Lieferungen der WHO stoßen auf allerlei Widerstände. So fordert die Hadi-Regierung, dass Güter für die Gebiete unter Houthi-Kontrolle über den Hafen in Aden eingeführt werden.
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