Banken sollen Kunden ansprechen

Zinsanpassung (Teil 1)

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Banken müssen von sich aus tätig werden, wenn sie in ihren Sparverträgen unwirksame Zins- anpassungsklauseln finden. Im Niedrigzinsumfeld versuchen Banken und Sparkassen jedoch, lieber hochverzinste Verträge loszuwerden. 300 000 Sparverträge wurden bereits gekündigt. Doch jetzt griff die Finanzaufsicht ein. Lange hat es gedauert, bis die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) klare Position bezogen hat.

»Wir wünschen uns im Sinne der Verbraucher, dass die sächsischen Sparkassen diesem Wink mit dem Zaunpfahl durch die zuständige Aufsicht folgen«, erklärt Andrea Heyer, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Sachsen. Man sei weiterhin offen für ernsthafte Gesprächsangebote seitens der sächsischen Sparkassen, um Betroffenen zu ihrem Recht zu verhelfen und weitere Klagen zu vermeiden.

Drei Musterfeststellungsklagen hat die Verbraucherzentrale bisher zur Klärung der Frage eingereicht, wie eine ordnungsgemäße Zinsanpassung bei »Prämiensparen flexibel«-Verträgen hätte erfolgen müssen. Am 22. April 2020 wird erstmals in dieser Sache - im Verfahren gegen die Stadt- und Kreissparkasse Leipzig - vor dem Oberlandesgericht Dresden verhandelt.

Tipp: Bis zum Ende des Tages vor der Verhandlung können sich Betroffene der Klage noch anschließen.

Sachsen ist nur ein Beispiel

Doch Sachsen ist nur ein Beispiel für viele. In das viel diskutierte Thema »unwirksame Zinsanpassungsklauseln« dürfte nun allerdings bald Bewegung kommen. Von den 1990er Jahren bis Anfang der 2000er Jahre boten viele Banken und Sparkassen ihren Kundinnen und Kunden Prämiensparpläne mit einem variablen Zinssatz an. Ein »variabler« Zinssatz ist nicht fest, sondern kann verändert werden.

Unter dem Begriff »Prämiensparvertrag« versteht man eine langfristige Sparform mit variabler Verzinsung und gleichbleibender Sparleistung. Solche Verträge sehen vor, dass das Institut dem Kunden zusätzlich zum Zins eine Prämie zahlt: Sie ist nach der Vertragslaufzeit gestaffelt und beträgt bis zu 50 oder sogar 100 Prozent der vertragsgemäß erbrachten Sparleistungen.

»In der Praxis ähnelten sich diese Verträge branchenweit stark«, hat die Bafin im Februar dieses Jahres festgestellt. Viele Institute verwendeten in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) Zinsanpassungsklauseln, die ihnen einräumten, über Änderungen der vertraglich vorgesehenen Verzinsung mit unbegrenzt einseitigen Ermessensspielräumen zu entscheiden. Derartige Klauseln erklärte der Bundesgerichtshof (BGH) allerdings in einer Reihe von Urteilen seit dem Jahr 2004 für unwirksam:

- BGH-Urteil vom 17. Februar 2004, Az. XI ZR 140/03,

- BGH-Urteil vom 13. April 2010, Az. XI ZR 197/09,

- BGH-Urteil vom 21. Dezember 2010, Az. XI ZR 52/08,

- BGH-Urteil vom 14. März 2017, Az. XI ZR 508/15.

Das Gericht hielt die Klauseln für nicht ausreichend transparent. Die Sparer könnten damit weder mögliche Zinsänderungen kalkulieren noch Anpassungen nachprüfen. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung sollten betroffene Institute aus Sicht der Bafin nun »von sich aus« auf ihre Kunden zugehen. Die einst werte Kundschaft soll sodann über die Unwirksamkeit der bislang von der Bank verwendeten Klauseln informiert werden.

Wann sind Zinsanpassungsklauseln rechtswidrig?

Immerhin ist das letzte der genannten BGH-Urteile schon fast drei Jahre alt. Doch nun ist auch nach Ansicht der Bafin eine »formularmäßige Zinsänderungsklausel«, die dem Kreditinstitut eine inhaltlich unbegrenzte Zinsänderungsbefugnis einräumt, unwirksam. Darunter fallen Formulierungen wie »Die … zahlt den ... durch Aushang bekanntgegebenen Zins ...« oder sonstige Regelungen mit uneingeschränktem Ermessen zugunsten der Bank.

Warten auf den Spruch der Dresdner Richter

Ob damit für die Kunden viel gewonnen ist, muss sich allerdings erst noch zeigen. Veränderungen für die Zinsanpassung müssen sich nämlich nach einem anerkannten »Referenzzinssatz« richten. Und der muss der konkreten Vereinbarung möglichst nahe kommen. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat empfohlen, dazu einen Referenzzins für »langfristige Spareinlagen« heranzuziehen. Doch einen konkreten, in den Zinsstatistiken der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Zins hat der BGH nicht benannt.

Der Hinweis auf den Referenzzinssatz zeigt, dass Bankkunden sich noch nicht auf einen Geldsegen einrichten sollten.

Nun hat die Bundesbank ihre Berichterstattung vor einigen Jahren drastisch heruntergefahren. So werden keine Zahlen mehr für wirklich langfristige Sparanlagen veröffentlicht. Einlagen »von über 2 Jahren« werden laut Bundesbankstatistik aktuell mit einem effektiven Zinssatz von etwa 0,50 bis 1,0 Prozent verzinst. Das genaue Verfahren soll nun das OLG Dresden festlegen.

Teil 2 am kommenden Mittwoch: Zinsmathematik

Infos für Sparer der Sparkassen Leipzig, Erzgebirge und Zwickau: www.verbraucherzentrale-sachsen.de/musterfeststellungsklage

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