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Weiter, immer weiter
Die Bundesliga-Bosse hoffen noch immer, die aktuelle Saison zu Ende bringen zu können
Christian Seifert hat es nicht gerne, wenn er seinen Gesprächspartnern nicht in die Augen sehen kann. In der ungewöhnlichsten Pressekonferenz seit Bestehen der Deutschen Fußball Liga (DFL) beantwortete der einsam mit seinem Mediendirektor Christian Pfennig auf dem Podium sitzende Vorsitzende der Geschäftsführung ausschließlich Fragen, die ihn auf virtuellem Wege erreicht hatten. Weiterhin keine klare Antwort konnte er geben, wann nach der durch die Coronakrise »erzwungenen Warteschleife« (Seifert) in der 1. und 2. Bundesliga wieder gespielt wird.
»Es ist immer noch der Stand, dass wir die Saison am 30. Juni beenden wollen. Unter gewissen Voraussetzungen könnten wir das in den Juli verschieben, aber danach kommt auch noch eine neue Saison«, sagte Seifert. Eskalationsszenarien lägen noch nicht auf dem Tisch, »aber wir denken sehr genau nach, wie es weitergehen kann«. Eingedenk der weiter steigenden Zahl der Infizierten machte der DFL-Chef klar, dass Spiele unter Ausschluss der Öffentlichkeit beim Neustart wohl zur Regel werden. »Mindestens bis zum Ende der Saison ist es unrealistisch, davon auszugehen, dass wir vor vollen Stadien spielen. Was nicht heißt, dass es realistisch ist, dass wir im August vor vollen Stadien wieder anfangen.«
Einstimmig waren die Klubs am Dienstag der Empfehlung des DFL-Präsidiums gefolgt, den Spielbetrieb bis mindestens 30. April auszusetzen. Ohnehin sind externe Faktoren wie die Verbreitung des Virus und die Bewertung durch die Politik für die weitere Entwicklung maßgeblich. Also will die Bundesliga das Szenario einer abgebrochenen Saison bislang nicht durchspielen. »Letztlich kann der Profifußball nur funktionieren, wenn gespielt wird«, verdeutlichte Seifert. Daher werde »mit Hochdruck daran gearbeitet, wie wir nach der Krise wieder aufstehen«. Wie Zehntausende Unternehmen müsse auch die DFL für einen Neustart Pläne entwerfen. Seifert ist darauf eingestellt, dass die Auswirkungen auch die nächste Spielzeit treffen. »Die erste geregelte Saison wird erst wieder die Saison 2021/2022«. Dummerweise zerschießt dann aber die Winter-WM in Katar noch den Terminplan.
Es war die erste Mitgliederversammlung, in der sich die Vertreter der 36 Vereine von Kiel bis München, von Meppen bis Dresden über eine Kommunikationsplattform online austauschten. Nach Seiferts Empfinden stand die Liga aber »noch nie enger zusammen als in diesen Tagen«. Für Erleichterung dürfte bei den finanzschwachen Erst- und Zweitligisten die Ankündigung sorgen, dass das strenge Lizenzierungsverfahren wegen der kaum planbaren Herausforderungen aufgeweicht wird.
Die Prüfung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entfällt, die Liquidität muss erst im Herbst nachgewiesen werden. Konkret bedeutet das für die laufende Spielzeit, dass der Abzug von neun Punkten bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ausgesetzt wird. »In der kommenden Saison würde er nur drei statt wie bisher neun Punkte betragen«, erläuterte Seifert, der nicht detailliert über den Zustand einiger Klubs sprechen wollte. Nur so viel: »Einige könnten in eine existenzbedrohende Situation geraten, sollte die Saison nicht zu Ende gespielt werden.« Abhilfe könnten vorgezogene Zahlungen der Medienpartner schaffen. Die ausstehende Tranche von insgesamt 300 Millionen Euro vom Bezahlsender Sky gilt in einigen Vereinen als überlebenswichtig.
Erneut warb der Ligaboss für eine Sonderrolle des Fußballs. »80 Millionen haben das Virus im Kopf, aber auch der Fußball bedeutet den Menschen sehr viel. Derzeit ist nicht der richtige Zeitpunkt, ein Stückchen Normalität zurückzubringen«, sagte Seifert, aber irgendwann käme der Punkt, an dem »sich die Menschen vielleicht freuen, wenn sie sich mal über etwas anderes unterhalten, ja auch ärgern können«. Gleichwohl dürfe die Bundesliga nichts tun, um zum Gesundheitsrisiko zu werden.
Daher wird nicht nur an den 36 Standorten ausgelotet, wie eine Produktion ohne Stadionzuschauer in einer virenfreien Sonderzone möglich sein kann. Dafür richtete die Liga eine »Task Force Sportmedizin/Sonderspielbetrieb« ein, der Nationalmannschaftsarzt Tim Meyer vorsteht. Sie soll einen Leitfaden entwickeln, der Tests von Spielern und Personal sowie Hygienevorschriften regelt. Die Anweisungen würden aber nur auf professionellem Niveau, nicht im Freizeitbereich gelten.
Seifert tauschte sich am Dienstagabend noch mit den Ligenkollegen in England, Spanien, Italien und Frankreich aus. Dort spüre er »eine große Verunsicherung«. Aber vielleicht sei ja hierzulande nicht nur das Gesundheitssystem, sondern auch die Substanz des Profifußballs besser. Seiferts Devise: »Es lässt sich manches erahnen, aber nicht alles planen. Wir müssen unsere Taktik anpassen.«
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