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Lernen, lernen und nochmals lernen
Seit den Schulschließungen ist Heimunterricht angesagt – die digitalen Angebote können aber nicht alle nutzen
Bei dem Wort »Corona-Ferien« winkt Grundschullehrer Peter Dersch ab. »Wir haben keine Schulferien.« Dersch hält als zweiter Konrektor zusammen mit Schulleiterin Monika Rümpel und wenigen anderen Pädagogen die Stellung in der Martin-Niemöller-Schule. Wie alle Schulen ist auch die Grundschule im Berliner Ortsteil Neu-Hohenschönhausen aktuell eine Schule fast ohne Schüler: Wo sonst rund 650 Mädchen und Jungen lernen und in den Pausen herumtoben, finden sich derzeit kaum mehr als 20 Kinder bei der Corona-Notbetreuung ein. Alle anderen lernen zu Hause.
Ob bei Eltern, Lehrkräften oder Schülern: Gefragt ist kreatives Improvisieren. Nicht zuletzt das Lernen auf Notebooks, Tablets, Smartphones, mit Apps und Lernplattformen wie »Anton«, »Lernraum Berlin« oder »Mathepirat« ist seit den Schulschließungen in aller Munde. Zumindest mancherorts wird nun versucht, die an vielen Schulen verschlafene Digitalisierung mit aller Kraft im Homeoffice der Kinder nachzuholen.
Auch an der Niemöller-Schule setzen sie auf Apps und Lernplattformen, um die Kinder daheim zu beschulen. Daneben stehen sie im E-Mail- und WhatsApp-Kontakt mit den Eltern und Kindern, bedienen aber auch den klassischen Weg der Schulpost. Wie Schulleiterin Rümpel sagt, bemühe sich ihr Kollegium, »das Potenzial der Kinder über viele Kanäle zu unterstützen«.
Zugleich schauen ihre Kollegen, was überhaupt angenommen wird. Die meisten Schüler besäßen zwar ein internetfähiges Handy, sagt Dersch. »Viele Eltern holen sich das ausgedruckte Lehrmaterial aber trotzdem vor Ort ab.« Das Entscheidende sei, dass »wir als Lehrer da sind, Fragen beantworten, den Kontakt halten, die Aufgaben auch kontrollieren«.
Genau das ist bei Robert Müller nicht der Fall. Der Vater eines Erstklässlers, der eine Grundschule in Mitte besucht, wünscht sich seitens der Klassenlehrerin seines Sohnes durchaus mehr Unterstützung im coronabedingten Ausnahmezustand. »Eigentlich ist die Frau total auf Zack. Aber alles, was sie gerade macht, ist, uns Arbeitsblätter zuzuschicken. Das war’s«, berichtet Müller, der eigentlich anders heißt, seinen Namen aber nicht in der Zeitung lesen will. Er hat für seinen Sohn jetzt ein Tablet im Onlinehandel bestellt, damit der Siebenjährige auch mit »Anton« & Co. lernen kann. Müller verspricht sich hiervon mehr als von »kopierten Handouts« ohne didaktische Begleitung.
Der Vater aus Mitte weiß zugleich, dass nicht alle Eltern die finanziellen Möglichkeiten haben, ihrem Nachwuchs einfach mal so ein adäquates Digitalpaket zu spendieren. »Eine Großfamilie mit niedrigem Einkommen kann das nicht, hier haben die Kids das Nachsehen.« Er befürchtet, dass sich die ohnehin schon vorhandene Kluft in Sachen Bildungsgerechtigkeit während der Zeit der Schulschließungen noch vertiefen könnte.
Auch der Vorsitzende des Berliner Landesschülerausschusses (LSA), Miguel Góngora, sieht Kinder aus bildungsbenachteiligten Haushalten aktuell noch einmal stärker im Nachteil. Góngora sagt: »Es gibt derzeit keine vernünftigen Lösungen für die, die keine eigenen oder gar keine Computer oder kein Internet zu Hause haben.« Der LSA fordert daher vom Senat die Einrichtung eines Fonds, mit dem einkommensschwache Eltern »die Möglichkeit erhalten, die Erstattung von Geldern zur privaten digitalen Ausstattung und zur Ausstattung mit einem Internetanschluss zu beantragen«.
Tablets für alle? Wenn die aktuelle Coronakrise überhaupt Positives hervorbringen sollte, dann könnte dazu gehören, dass die viel gepriesene, aber allenfalls schleppend laufende Digitalisierung im Klassenraum und im Kinderzimmer nun tatsächlich neuen Schub bekommt. Dafür braucht es dann aber nicht nur Internetanschluss und Endgerät, meint Vater Robert Müller: »Die Medienkompetenz der Kinder steht und fällt letztlich mit der Medienkompetenz der Eltern und nicht zuletzt der Lehrer.«
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