Ausgangssperre - wie lange noch?

In Italien werden die Verbote verlängert, doch es wird darüber diskutiert, ob diese gelockert oder womöglich noch verschärft werden

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.

Die italienische Regierung hat am Mittwoch alle Maßnahmen zur Eindämmung des neuen Coronavirus bis zum 13. April verlängert. Demnach wird die allgemeine Ausgangssperre weitere zwei Wochen gelten, und auch der größte Teil der Wirtschaftsaktivitäten werden nicht wiederaufgenommen. Doch damit wird die Diskussion über diese Maßnahmen nicht verstummen.

Der wissenschaftliche Beirat des Katastrophenschutzes ist sich einig: Italien hat den Scheitelpunkt der Infektionswelle zwar jetzt erreicht - aber nun wird ein relativ langes »Plateau« folgen, also eine Zeit, in der sich die Gesundheitslage im Land noch nicht wirklich bessert. »Wenn wir die Maßnahmen jetzt lockern würden«, erklärte Gesundheitsminister Roberto Speranza von der linken Partei Articolo 1, »dann wären alle bisher gebrachten Opfer sinnlos gewesen.« Und diese sind groß: Seit fast einem Monat sind die Italiener zu Hause »eingesperrt« - in einigen norditalienischen Gegenden zwei Wochen länger. Verlassen darf man die Wohnung nur, um einkaufen zu gehen, einen Arzt aufzusuchen oder sich in der Apotheke Medikamente zu besorgen. Kein Sport, keine Spaziergänge, und wenn man die Wohnung verlässt, dann nur mit Maske sowie Handschuhen und mit Abstandhalten.

Anders als vielleicht erwartet halten sich die meisten strikt an die Anordnungen. Zwar gibt es Menschen, die sich mal »ohne triftigen Grund« auf den Straßen, in den Parks oder am Meer »herumtreiben«, aber sie werden auch hart bestraft. Derweil häufen sich in den Familien die Fälle von psychischen Störungen, Konzentrationsdefiziten und auch psychosomatischen Ausfallerscheinungen. Viele Personen (vor allem Männer) suchen nach Ausreden, um die Wohnung verlassen zu können. Vor allem Supermärkte klagen, dass nicht wenige Kunden mehrmals am Tag erscheinen, um mal ein Brötchen, dann einen halben Liter Milch und später 50 Gramm Schinken zu kaufen.

Allgemein wird akzeptiert, dass eine Lockerung der Maßnahmen von den medizinischen Voraussetzungen abhängt. Aber die werden unterschiedlich bewertet: Der wichtigste Unternehmerverband fordert eine »möglichst schnelle« Öffnung der Industriebetriebe. Etwa die Hälfte aller Werke müssten ganz schließen, wenn sie die Produktion nicht bald wieder aufnehmen könnten. Italien erwarte dann einen Wirtschaftseibruch von mindestens zehn Prozent. Die Unternehmer schlagen deshalb eine »schrittweise« Lockerung womöglich mit regionalen Unterschieden vor. Allerdings sind die am stärksten vom Virus betroffenen Regionen gerade diejenigen, in denen die meisten Industriebetriebe angesiedelt sind.

Einige Politiker fordern sogar eine sofortige Lockerung aller Maßnahmen, allen voran der ehemalige Ministerpräsident Matteo Renzi, dessen neugegründete Partei Italia Viva in der Regierung sitzt. Solche Stimmen sind allerdings in der absoluten Minderheit. Die Parteien am rechten Rand wie die Lega wollen eher eine Verschärfung und eine Art Kriegsrecht einführen ganz nach dem Vorbild des ungarischen Präsidenten Victor Orban.

Die Mehrheit der Bürger orientiert sich eher an dem, was Mediziner und Epidemiologen sagen. Gefordert wird auch, dass der Staat sich mehr um die Schwächsten kümmern müsste. Die beschlossenen Soforthilfen von 600 Euro greifen noch nicht. Seit Mittwoch können kleine Selbstständige den Antrag dazu stellen, aber das elektronische System der zuständigen Behörde brach zusammen und spuckte bisweilen die sensiblen Daten anderer Antragsteller aus.

An die bedürftigsten Familien sollen die Gemeinden Lebensmittelpakete verteilen, aber auch das klappt kaum. Hilfe kommt eher von privaten Spendern oder den Kirchen. Ein weiteres Problem ist, dass die häusliche Gewalt in diesen Tagen der Quarantäne stark zunimmt. Auch hiergegen wird nicht effektiv vorgegangen.

Im Großen und Ganzen akzeptieren die Italiener die geforderten Opfer und vertrauen einigermaßen ihrer Regierung. Gleichzeitig verlangen sie, dass der Staat sich mehr um die Menschen kümmert, die mit der augenblicklichen Situation alleine nicht fertig werden.

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