- Politik
- EuGH
Schutzsuchende im Stich gelassen
Europäischer Gerichtshof bescheinigt Polen, Ungarn und Tschechien Verstoß gegen Unionsrecht
Die Weigerung von Polen, Ungarn und der Tschechischen Republik, einen Teil der 2015/16 nach Italien und Griechenland geflüchteten Menschen im Rahmen einer internationalen Umverteilung aufzunehmen, bedeutete einen Verstoß gegen EU-Recht. Das entschied am Donnerstag der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Sitz in Luxemburg. Kläger war die EU-Kommission.
Der Gerichtshof stellt fest, dass die betroffenen Staaten zwei Beschlüsse des Europäischen Rates zur europäischen Asylpolitik ignorierten und bereits ihrer Verpflichtung nicht nachkamen, in regelmäßigen Abständen »die Zahl der internationalen Schutz beantragenden Personen« anzugeben, »die schnell in ihr jeweiliges Hoheitsgebiet umgesiedelt werden konnten«, heißt es in einer Erklärung des Gerichts.
Im September 2015 hatten die EU-Innenminister mit Mehrheit beschlossen, etwa 160 000 Flüchtlinge und Migranten aus Griechenland und Italien auf andere EU-Länder umzuverteilen. Polen, Ungarn und Tschechien ließen die Ratsbeschlüsse links liegen. Während Ungarn und Polen keinen einzigen dieser Flüchtlinge ins Land ließen, nahm Tschechien gerade einmal zwölf Menschen auf.
Ungarn und Polen hatten ihre Verweigerungshaltung mit der »Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung« und dem »Schutz der inneren Sicherheit« begründet, Tschechien hatte auf seinen Beitrag zur Eindämmung von Migration an den EU-Außengrenzen verwiesen.
Mit dem Urteil weist der EuGH zugleich Gegenanträge zurück, die Klagen der Kommission für unzulässig zu erklären. Die Beschuldigten hatten geltend gemacht, dass sie den behaupteten Vertragsverletzungen ja ohnehin nicht mehr abhelfen könnten, da die Geltungsdauer der Umsiedlungsbeschlüsse bereits im September 2017 endete.
Aus Sicht des Gerichtshofes besteht an der Feststellung einer Vertragsverletzung »weiterhin u. u. deshalb ein sachliches Interesse, weil diese die Grundlage für eine Haltung abgeben kann, die möglicherweise einen Mitgliedsstaat als Folge seiner Pflichtverletzung gegenüber anderen Mitgliedsstaaten, der Union oder einzelnen trifft«.
Das Urteil hat für die drei unsolidarischen Staaten zunächst keine konkreten Folgen. Doch bei einer neuen Klage der EU-Kommission drohen ihnen hohe Strafzahlungen - irgendwann.
Als »spät, aber richtig«, begrüßte die Linke-Europaabgeordnete Cornelia Ernst das Urteil. Der Gerichtshof habe »ein klares und richtiges Signal in Richtung der Rechtsaußen-Regierungen in Polen und Ungarn gesendet«, erklärte sie. Für die AfD-Politikerin Beatrix von Storch greift das Urteil »in unerträglicher Weise in die Souveränitätsrechte« der drei Länder ein. Das Asylrecht gehöre »in die Hand der Nationalstaaten«, so von Storch.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.