Monatlich bluten und trotzdem Leistung bringen

Das Thema Menstruation ist im Spitzensport eher ein Tabu. Aber immer mehr Trainer und Vereine beachten den weiblichen Zyklus in ihren Trainingsplänen

  • Wolfgang Müller und Ulrike John
  • Lesedauer: 3 Min.

Als Steffi Graf vor mehr als 30 Jahren überraschend das Finale der French Open verloren hatte, titelte eine deutsche Boulevardzeitung am Tag danach: »Steffis Geständnis. Ich hatte meine Tage«. Die Empörung über die Schlagzeile im Juni 1989 war gewaltig. Wie wohl die Reaktion heute ausfallen würde?

Auch im Jahr 2020 zählt das Thema Menstruation im Spitzensport nicht gerade zu den medialen Dauerbrennern. Öffentlich darüber gesprochen wird kaum. Dabei steht außer Frage, dass der weibliche Zyklus die Leistungsfähigkeit beeinflussen kann. Faktoren wie Muskelauf- und -abbau, Gewichtsveränderungen oder Wassereinlagerungen hängen damit zusammen.

»Der Körper der Frau ist einfach anders, das muss man berücksichtigen«, sagt die Fußball-Nationalspielerin Pauline Bremer der dpa. »Jede Leistungssportlerin kann bestätigen, dass die Leistung tagesabhängig schwankt. Wenn man sich vielleicht fragt, was ist mit der heute los? Das kann einfach immer zusammenhängen«, sagt Bremer. Die 23-Jährige wechselt im Sommer von Manchester City zum deutschen Meister VfL Wolfsburg.

In England sorgte zuletzt Manchesters Ligakonkurrent FC Chelsea für Aufsehen bei der Thematik. Der Verein gab im Februar bekannt, dass das Team künftig auf den Zyklus der Spielerinnen abgestimmt trainiert werden soll. Jede Spielerin werde einen individuellen Trainingsplan bekommen. Dafür können in eine App Informationen und Symptome eingetragen werden. Die Initiative ging von Trainerin Emma Hayes aus. Die Idee dahinter: das Leistungsvermögen der Sportlerinnen verbessern, das Verletzungsrisiko vermindern.

Auch bei Manchester City gibt es morgendliche Fragebögen, »in denen wir angeben, wie wir uns fühlen, und da ist auch die Menstruation einer der Punkte«, erzählt Bremer. Das Bewusstsein für dieses Thema könne helfen, »Leistungen besser zu steuern und auch besser einschätzen zu können«, sagt die Offensivspielerin.

Tatsächlich kam Chelsea-Trainerin Hayes die Idee, als ihre Mannschaft 2016 das FA-Cup-Finale gegen den FC Arsenal verlor. Viele Spielerinnen hätten zu dem Zeitpunkt ihre Periode gehabt und nicht ihre gewohnte Leistung gezeigt, sagte die 43-Jährige der britischen Zeitung »Telegraph« und wies auch auf schwierige Grundvoraussetzungen bei dem Thema hin.

»Man kann sagen, dass ich Trainerin bin in einer Industrie, in der Frauen immer wie kleine Männer behandelt worden sind. Ob Reha, Kraft- Konditions- oder Taktiktraining - alles basiert auf dem, was Männer tun«, sagte Hayes und ergänzte den scheinbar banalen Satz: »Wir müssen jeden Monat durch etwas total anderes durchgehen als Männer.« Umso erstaunlicher daher, wie sich die Wissenschaft (bislang) mit dem Thema beschäftigt hat.

Studien mit Leistungssportlerinnen seien sehr schwierig, sagte die frühere Handball-Nationalspielerin und heutige Sportmedizinerin Petra Platen von der Ruhr-Universität Bochum der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« für einen Beitrag, der unter dem Titel »Diese Mädchen-Sache - Spitzensport-Tabu Menstruation« erschien. Die 60-Jährige verwies auf die Pille, die die Ergebnisse erwartungsgemäß verfälsche und darauf, dass Leistungssportlerinnen ihre Periode oft gar nicht mehr bekämen.

Der Deutsche Olympische Sportbund näherte sich dem Thema in seiner Zeitschrift »Leistungssport« zuletzt mit einem vierseitigen Aufsatz, in dem die Autoren vor allem auf die unterschiedliche Leistungsfähigkeit in den drei Phasen des Menstruationszyklus (Follikelphase, Ovulation, Lutealphase) abhoben. Dies solle »man bei der Entwicklung von Trainingsplänen und der individuellen Trainingssteuerung berücksichtigen«, lautete eine Schlussfolgerung.

Natürlich ist dies bei Individualsportarten einfacher als bei Mannschaftssportarten. »Im Fußball kann man ja nicht sagen, heute trainieren die einen, morgen die anderen. Das ist in der Leichtathletik sicherlich ein bisschen anders zu koordinieren«, sagt Pauline Bremer.

Und doch gewinnt der Ansatz, den Menstruationszyklus in das Training von Athletinnen einzubeziehen, auch im Teamsport mehr und mehr an Bedeutung. Der US-amerikanische Fußballverband verriet im vergangenen Sommer, dass das Betreuerteam bei der WM in Frankreich auch die erfassten Zyklusdaten der späteren Weltmeisterinnen bei der Trainingsplanung berücksichtigt habe. dpa/nd

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