Der Kampf um den Spargel

Beim offiziellen Saisonstart auf den Feldern um Beelitz fehlt es noch an Erntehelfern

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 4 Min.

Dass es diesmal zum traditionellen Auftakt der Beelitzer Spargelsaison am Dienstag echtes Kaiserwetter gab, wird Jürgen Jakobs, den Vorsitzenden des bekanntesten Spargelvereins in Brandenburgs größtem Anbaugebiet gefreut haben. Immerhin waren die diesjährige Spargelkönigin, die 20-jährige Gina-Luise Schrey, und einige Spargelfrauen in ihren Trachten mit ihm zum Fototermin aufs Feld geeilt. Ganz sicher hat es ihn aber zugleich auch beunruhigt, dass die Sonne so intensiv vom stahlblauen Himmel auf seinen Spargelhof im Beelitzer Ortsteil Schäpe (Potsdam-Mittelmark) schien und die Morgenkühle vorsommerlicher Wärme wich.

Jakobs hat schlicht zu wenige Leute für die harte Arbeit auf dem Feld. »Fürs kalte Wetter waren es genug. Jetzt aber, wenn es warm wird, wird es richtig eng«, hat er am Vorabend dem »nd« gesagt. Und gerade jetzt beginne der Spargel regelrecht »zu schießen«. Ungefähr 2300 Spargelstecher hatten Unternehmen im Beelitzer Spargelanbaugebiet in diesem Jahr gebucht. Von denen waren beim Erntebeginn erst die Hälfte da.

Bei Jakobs waren, als Ende März die ersten Spargelstangen gestochen wurden, immerhin rund zwei Drittel der sonst bei ihm beschäftigten Erntehelfer aus Polen und vor allem Rumänien angereist. Kurz darauf hatte das Bundesinnenministerium wegen der sich verschärfenden Coronakrise die weitere Einreise von Saisonarbeitskräften untersagt. Dass nun seit dem Wochenende eine gewisse Entspannung angekündigt ist, verfolgt der Spargelbauer skeptisch.

Unter strengen Auflagen hat das Bundesinnenministerium genehmigt, dass 80 000 ausländische Saisonkräfte nach Deutschland eingeflogen werden können - jeweils 40 000 im April und Mai - so viel, wie nach Angaben der »Agrarzeitung az+« bundesweit in beiden Monaten bei der Spargel-, Beeren- und Gemüse-Ernte gebraucht würden. Auf diesen Kompromiss hatten sich Innenminister Horst Seehofer (CSU) und Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) geeinigt. Rund 20 000 weitere Saisonarbeiter, die bereits vor dem am 25. März verfügten Einreisestopp im Land waren, können nach zuvor beschlossenen Änderungen im Arbeitsrecht länger bleiben. Die Aufenthaltsdauer wurde von 70 auf 115 Tage ohne Sozialversicherungspflicht verlängert.

Zu Wochenbeginn hatte die Lufthansa-Tochter Eurowings angekündigt, die Erntehelfer kurzfristig nach Deutschland zu fliegen. Das Unternehmen fliegt nach eigenen Angaben in Abstimmung mit dem Deutschen Bauernverband und unter Einhaltung aller gesetzlichen Vorschriften Saisonarbeiter aus Osteuropa (Rumänien, Bulgarien, Polen) nach Deutschland ein. Am Wochenende hatte der rumänische Innenminister Marcel Vela angekündigt, Saisonarbeitern trotz der Coronakrise die Ausreise mit dem Flugzeug ins Ausland zu erlauben.

Jürgen Jakobs hat, wie die meisten Obst- und Gemüseproduzenten in Brandenburg, mit seinen Saisonkräften gute Erfahrungen gemacht. Sie seien erfahren, verlässlich und belastbar. »Allerdings sind die Behörden jetzt für die Aus- und Einreise der ausländischen Erntehelfer ziemlich rigide. Und bis die bürokratischen Abläufe geklärt sind, wird noch einige Zeit vergehen«, befürchtet er. Vor allem aber glaubt Jakobs, dass bei der Verteilung der Erntehelfer am Ende nach dem Motto »wer zuerst beantragt hat, bekommt auch als erster« verfahren wird. Da sieht er die großen Produzenten in Bayern und Baden-Württemberg am Drücker.

Mit gemischten Gefühlen nimmt der Vereinsvorsitzende auch wahr, dass sich inzwischen viele einheimische Freiwillige um einen Job bemühen. »Es gibt inzwischen einen regelrechten Andrang von deutschen Bewerbern aus faktisch allen Bevölkerungsschichten«, sagt er. »Die Leute wollen was tun, wollen helfen.« Das freut ihn natürlich. Doch man müsse jeden Freiwilligen erst anlernen. Eine Spargelstange fachgerecht zu stechen, will gelernt sein. Doch die Erfahrung zeigt, dass viele die körperlich anstrengende Arbeit unterschätzen, unter Belastung rasch das Handtuch werfen und abreisen. Damit sei am Ende niemandem geholfen.

Brandenburg hat den Erntehelfern aus Mittel- und Osteuropa gedankt, die derzeit trotz der Coronakrise in den Agrarbetrieben des Landes im Einsatz sind. In einem Schreiben vom Montag würdigen Agrarminister Axel Vogel (Grüne) und Europaministerin Katrin Lange (SPD) ihren Beitrag zur Sicherung der Lebensmittelversorgung. Mit neuen Regelungen unterstützt der Bund nun auch die Werbung heimischer Erntehelfer, schaltet für ihre Vermittlung Internetportale. Laut Landesbauernverband werden im Jahr 10 000 Erntehelfer benötigt.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.