US-Republikaner in Wisconsin sind Spitze in Wählerunterdrückung

In der Coronavirus-Pandemie geht die »voter suppression« in den USA verschärft weiter

  • Max Böhnel und Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 5 Min.

Wir müssen über Wisconsin reden. In dem US-Bundesstaat fanden am Dienstag Kommunalwahlen statt. Gouverneur Tony Evers, ein Demokrat, wollte sie wegen Corona verschieben, aber das Parlament und Wisconsins Oberster Gerichtshof – beide von Konservativen kontrolliert – haben das verhindert. So standen Tausende Wähler in kilometerlangen Schlangen an sehr wenigen Wahllokalen an. Eine schwarze Stunde für die Demokratie in den USA, oder nicht?

Lange Schlangen vor Wahllokalen kennen wir aus den USA, vor allem in Städten, wo viele Minderheiten leben, wie in Milwaukee. Dort standen diese Menschen nun auch noch mit Masken vermummt bis zu vier Stunden an. In der Stadt gibt es sonst gut 180 Wahllokale, diesmal waren es fünf, weil kaum Wahlhelfer gefunden wurden.

Max und Moritz

Max Böhnel ist USA-Korrespondent des »nd« und lebt seit 1998 in New York. Dort arbeitet er für mehrere Publikationen und Radiosender in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Moritz Wichmann ist Redakteur im Onlineressort des »nd«, sein Schwerpunkt sind die USA. Er studierte Politik und Soziologie in Berlin und New York. Ein Teil seiner Familie lebt in den USA.

Oliver Kern ist Redakteur im Sportressort des »nd«. Er studierte einst in einer Kleinstadt in Ohio. Bis heute hält er sich auf dem Laufenden, was politisch in den USA los ist.

Auch denen war es zu gefährlich, sich in einen Raum zu setzen, durch den Tausende Menschen laufen. Wie viele Leute haben denn nun in Milwaukee abgestimmt?

In den Wahllokalen waren es 18.000. Das entspricht einer »in-person«-Wahlbeteiligung von drei Prozent. Absurd niedrig, selbst wenn man bedenkt, dass Lokalwahlen generell eine niedrige Beteiligung haben. 2018 lag sie noch zwischen 20 und 25 Prozent. Aber es kommen ja noch die Briefwahlstimmen dazu. Auch damit kommen wir aber nur auf 75.00 abgegebene Stimmen. Das ist nur weniger als die Hälfte der Wahlbeteiligung der »Frühjahrswahl« von 2016 - in einer Stadt mit mehr als einer halben Million Einwohner.

In ganz Wisconsin gab es bis zum Wahltag »nur« 2500 positive Corona-Fälle. Haben die Demokraten die Gesundheitsgefahr übertrieben?

Ich glaube nicht. Schau auf Michigan und Ohio! In Michigan gab es Mitte März eine Vorwahl, da war noch nicht ganz so klar, wie schlimm es wird. Ohio war Ende März dran, doch der republikanische Gouverneur ließ die Wahl verschieben. Seitdem haben sich die Fallzahlen in Michigan vervierfacht, während die Kurve in Ohio deutlich weniger steil steigt. Dafür gibt es sicher noch andere Gründe, aber die Abstimmungen hatten durchaus einen Effekt.

Viele wollten in Wisconsin wenigsten noch auf Briefwahl umschwenken. Doch es gab Probleme.

Richtig. Die sozialen Medien sind voller Berichte von Leuten, die ihre Unterlagen angefordert, aber nie erhalten haben. Von mehr als einer Million Stimmzettel seien ungefähr 200.000 zurückgekommen, teilte die Wahlkommission mit. Angeblich wegen falscher Adressen oder weil die Leute weggezogen seien.

Wen trifft das stärker?

Das wird beide Seiten treffen. Ich glaube aber, die Demokraten etwas mehr. Sie sind in den Städten konzentriert, und dort war es deutlich schwieriger abzustimmen, wie das Beispiel, das relativ afroamerikanisch geprägte Milwaukee, zeigt. Junge Leute ziehen auch viel häufiger um, haben keine feste Adresse, also können sie weniger einfach Briefwahl-Unterlagen anfordern. Auch sie wählen eher die Demokraten.

Per Brief zu wählen ist in Wisconsin ohnehin schwer. Man braucht die Unterschrift eines Zeugen. Warum?

Weil die Republikaner in Wisconsin ganz vorne dabei sind, wenn es um Wählerunterdrückung geht. Aber auch in anderen Staaten gibt es die Pflicht sich auszuweisen, was bestimmte Bevölkerungsgruppen vom Wählen abhält, weil sie seltener Personalausweise haben. Andernorts werden Menschen von den Wählerlisten gestrichen, wenn sie ein paar Mal nicht gewählt haben. Das trifft fast immer mehr Minderheiten oder junge Menschen, die hauptsächlich demokratisch wählen. Beliebt ist auch das Zuschneiden von Wahlbezirken, um möglichst viele Abgeordnete zu gewinnen. 2018 holten die Demokraten in Wisconsin 53 Prozent der Stimmen, aber nur 36 Prozent der Sitze in den Staatsparlamenten. Umgekehrt gewannen die Republikaner mit nur 45 Prozent aller Stimmen 64 Prozent der Sitze.

Donald Trump bezeichnet die Briefwahl als »gefährlich« und »schrecklich«. Es gäbe massenhaft Betrug. Gibt es dafür Beweise?

Das behaupten Republikaner seit Langem. Tatsächlich gibt es dafür fast keine Hinweise. Nicht einmal eine von Trump selbst eingesetzte Kommission konnte welche finden und löste sich nach monatelanger Suche auf. 2018 gab es mal einen größeren Fall. Dort hatte aber ein Republikaner Briefwahlstimmen manipuliert.

Fun Fact: Donald Trump hat vor Kurzem bei der Vorwahl in Florida per Brief abgestimmt. Wählerunterdrückung ist aber keine rein konservative Taktik. Auch die Demokraten nutzen sie.

Ja, in Maryland, New Jersey und New York etwa. In New York musste man sich lange besonders früh, also viele Monate vor den Vorwahlen auf Wählerlisten eintragen lassen. Das schadete etwas Bernie Sanders 2016 und den jungen Wählern, die spontan für ihn stimmen wollten. Landesweit und insgesamt sind die Republikaner aber eindeutig schlimmer.

In den ersten vier Folgen von Max & Moritz ging es um das Comeback von Joe Biden am Super Tuesday, wie das Coronavirus den Wahlkampf verändert hat, was das vom US-Kongress beschlossene Hilfspaket gegen die Coronakrise enthält und wie die Coronakrise das tödliche Wirken des freien Marktes zeigt.

Lesen Sie nächste Woche den Chat mit Max Böhnel über das Ende von Bernie Sanders' Präsidentschaftskampagne.

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